piwik no script img

Der runde Tisch rückt in immer weitere Ferne

Keine Annäherung nach jüngsten Gesprächen zwischen Lech Walesa und dem polnischen Innenminister Kiszczak / TV-Duell zwischen der illegalen Solidarnosc und der offiziellen Gewerkschaft umstritten / Walesa will weiter um den Erhalt der Lenin-Werft kämpfen  ■  Aus Gdansk Klaus Bachmann

Eine Verständigung über die Verhandlungen am runden Tisch zwischen Regierung und Opposition in Polen scheint zur Zeit weiter entfernt denn je. Lech Walesa resümierte in Gdansk nach seiner Rückkehr die zweitägigen Gespräche mit Innenminister Kiszczak: „Bis jetzt gehen die Standpunkte weit auseinander.“ Mehr will der Gewerkschaftsführer über die Verhandlungen nicht sagen.

Aus Gdansker Solidarnosc-Kreisen ist indes zu hören, daß es zu keinem Ergebnis kam, weil Walesa auf einer eindeutigen Erklärung über die Zukunft der verbotenen Gewerkschaft beharrt habe und andererseits die Regierungsseite nach wie vor die Teilnahme der Solidarnosc-Berater Michnik und Kuron am runden Tisch ablehne. „Für uns“, so Walesa, „geht es darum, ob uns die Regierung als gleichberechtigte Partner akzeptiert. Wenn sie das tut, kann sie sich nicht in die Auswahl unserer Verhandlungspartner einmischen wollen. Wir bestehen auf Kuron und Michnik, weil das für uns der Punkt ist, an dem sich entscheidet, ob es die Regierung ernst meint mit dem Dialog oder nicht.“

Das Organ der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PVAP), 'Trybuna Ludu‘, hat die beiden Solidarnosc-Berater inzwischen indirekt auch zu Hindernissen für die am 30.November geplante Fernsehdiskussion zwischen Lech Walesa und dem Vorsitzenden der offiziellen OPZZ-Gewerkschaften, Alfred Miodowicz, erklärt. Um Manipulationen des Fernsehens auszuschließen, hat Walesa inzwischen einen Beraterstab zur Vorbereitung der Diskussion gebildet, dem neben Michnik und dem Solidarnosc-Sprecher Janusz Onyszkiewicz auch der bekannte Filmregisseur Andrzej Wajda angehört. Daß der Wirbel um die Fernsehdiskussion nur ein Mittel sein könnte, um von der festgefahrenen Lage um den runden Tisch und die Werft in Gdansk abzulenken, schließt Walesa nicht aus: „Aber ich werde trotzdem alles tun, damit die Diskussion zustandekommt. Schließlich habe ich so etwas sieben Jahre lang vorgeschlagen.“ Zugleich sieht Walesa auch Anzeichen für eine politische Klimaverbesserung: „Die Bergarbeiter, die nach den Streiks vom August entlassen worden sind, wurden inzwischen alle wieder eingestellt; und die Schließung der Werft soll nun auch nicht - wie zuerst angekündigt - innerhalb von zwei Monaten, sondern im Zeitraum von zwei Jahren durchgeführt werden. Und auch die Anti-Solidarnosc-Kampagne in den staatlichen Massenmedien ist ruhiger geworden.“ Walesas Optimismus wird indessen gerade von der jungen Generation wenig geteilt. Dem Solidarnosc-Vorsitzenden wird vorgeworfen, er habe die Werft dem runden Tisch geopfert und die Streiks zu früh beendet. Walesa: „Das sind junge Leute, die so etwas schreiben, die überhaupt keine Ahnung haben von Taktik und Politik. Sie kommen zu mir, wenn alles vorbei ist und sagen, man hätte weiterkämpfen sollen. Womit denn? Soll ich vielleicht allein weiterstreiken?“ Um den Erhalt der Leninwerft will er aber auf jeden Fall kämpfen. „Selbst wenn die Regierung Knüppel und Panzer benutzt, werden wir die Werft irgendwann wieder zurückbekommen.“ Und wenn die Regierung versuchen sollte, die Arbeiter mit Lohnerhöhungen wegzulocken, dann umso besser: „Erstens können wir das nicht mit allen machen, und davon abgesehen haben wir dann immerhin eine Erhöhung des Lebensstandards für die Leute erkämpft.“ Eine Schwächung der verbotenen Gewerkschaft sei die Schließung der Werft jedenfalls nicht: „Wir können unsere Zentrale jederzeit in einen anderen Betrieb verlegen.“

Und sollte am 1.Dezember das Firmenschild abmontiert werden, „Ich wette, innerhalb von Stunden wird die ganze Welt übersät sein mit der Aufschrift 'Danziger Werft‘.“ Die Solidarnosc-Betriebsgruppe der Werft hat indessen die dienstäglichen Protestversammlungen bis April ausgesetzt. Bis dahin wolle man versuchen, eine einvernehmliche Lösung für den Erhalt der Werft zu finden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen