■ Der populäre Konzertführer: Sonnenscheinpop statt Regen
Der Bremer Frühling ist bekanntlich unberechenbar. Da verraten wir ihnen wenigstens, welcher Wind in den Konzerthallen der Hansestadt weht. Eitel Sonnenschein lockt am Freitag abend ins Römer. Wo sonst der Gruftie dem düster gestylten Szene-Punk die Klinke in die Hand gibt, versprechen Maria Perzil gutgelaunte Pop-Perlen zwischen Rock, Flamenco und Chanson. Nicht die originelleste Art, die Zeit zu verplempern, aber sicher eine der Nettesten.
Mehr in Richtung grauer Großstadtmorgen mit Nieselregen und Zur-Arbeit-Müssen geht das Konzertprogramm des Modernes am Samstag: Stefan Stoppok, rotzfrecher Schmuddelrocker uss Kölle, gastiert in der Neustadt. Vier Begleitmusiker mit eigenen Nachnamen hat er auch im Gepäck, gedeutschrockt wird allerdings weiterhin der Einfachheit halber unter dem Gütesiegel Stoppok. Hausmannskost ohne Überraschungen von Leuten, gegen die Wolf Maahn innovativ wirkt, aber wenigstens garantiert trendfrei.
Statt lauen Geniesels lauern drei heftige Platzregen im Wehrschloß zur gleichen Stunde. Egal ob die Bands nun Supersuckers, Voodoo Queens oder Didjits heißen - der Punk–n–Roll, jene laute, bierselige Variante des Rock'n'Roll, ist ihnen allen gemein. Da wird in traditioneller Viererbesetzung mit einer ungeahnten Wut und Geschwindigkeit auf unschuldige Saiteninstrumente eingedroschen, daß sie einem fast Leid tun mögen, da werden Trommel- und Zwerchfelle im überschäumenden Nonsens bis an die Grenzen des Leistbaren strapaziert. Und wo nach zwei Stunden Stoppok ein halbes Taschentuch für die Stirn genügt, hinterläßt eine jede dieser US-Kapellen in einem Viertel der Zeit eine klatschnasse Zuhörerschaft, die ängstlich vor dem nächsten Schauer Deckung sucht.
Conflict, wiedervereingte Ur-Punk-Fossile der ersten oder zweiten Stunde, lassen am Dienstag alte Anarcho-Zeiten im Römer aufleben. Zwischen 1979 und 1989 produzierten die Londoner eine schwarz-beflaggte Platte nach der anderen, randvoll mit engagiertem Geprügel gegen die üblichen bösen Dinge in der Welt. Allein, an der Welt hat sich auch fünf Jahre nach dem Split der Insel-Punks nichts geändert. Grund genug also, um erneut loszzuziehen, um beim akustischen Kreuzzug ordentlich Bier zu vertilgen und Krach zu schlagen. Und darauf verstehen sich die Anarchos aus dem Vereingten Königreich aufs Trefflichste. Warm anziehen, da zieht ein ganz heftiges Gewitter auf...
Lars Reppesgaard
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