: Der öffentliche Dienst ist nicht allein
■ Vor der Urabstimmung im öffentlichen Dienst zeigen sich die Gewerkschaften solidarisch mit der ÖTV
Stuttgart (dpa) — Unmittelbar vor Beginn der Urabstimmung im öffentlichen Dienst am Mittwoch haben die IG Medien und die IG Metall der Gewerkschaft Öffentliche Dienste Transport und Verkehr (ÖTV) ihre Unterstützung zugesichert. Nach dem Scheitern der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst will die IG Medien die ÖTV „in diesem für die innere Beschaffenheit dieses Landes so bedeutungsvollen Tarifkonflikt mit allen Kräften unterstützen“, sagte IG-Medien-Sprecher Hermann Zoller gestern in Stuttgart. In der Metallbranche endet die Friedenspflicht am kommenden Montag. „Vielleicht“, so IG-Metall-Chef Franz Steinkühler im Nachrichtenmagazin 'Spiegel‘, „streiken Metaller und ÖTV bald gemeinsam.“
Die ÖTV will heute in Stuttgart Einzelheiten der Urabstimmung nennen. Die Stimmzettel der rund 2,3 Millionen ArbeiterInnen und Angestellten des öffentlichen Dienstes sollen am Freitag ausgezählt werden. Der zweite Streik des öffentlichen Dienstes in der Geschichte der Bundesrepublik könnte, falls mindestens 75 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder zustimmen, Ende April beginnen.
Die ÖTV-Vorsitzende Monika Wulf-Mathies kritisierte das Vorgehen der westlichen Länder — das Saarland und Hessen ausgenommen –, ihren Bediensteten mit Blick auf den Tarifabschluß eine Einmalzahlung von 500 Mark zu gewähren. Wulf- Mathies wertete das Vorgehen der Länder als „Provokation“. Ursprünglich hatte die ÖTV 9,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt gefordert, zuzüglich 550 Mark Urlaubsgeld.
Das Bundeskabinett will nach den Osterferien über eine Besoldungsregelung sprechen. Dabei geht es um die Frage, ob die Gehälter in Höhe des letzten Arbeitgeberangebots aufgestockt werden können. Dazu ist ein Kabinettsbeschluß notwendig.
Der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes (DBB), Werner Hagedorn, hält eine längere Laufzeit der Verträge im öffentlichen Dienst für denkbar. Der öffentliche Dienst brauche dann nicht länger eine Vorreiterrolle zu spielen und als erster in die nächste Einkommensrunde einzusteigen.
Eine „Neuorientierung in der Tarifpolitik“ verlangte der Vorsitzende der Arbeitgeberverbände, Klaus Murmann. Im Berliner 'Tagesspiegel‘ schrieb er, die Flexibilisierung der Arbeitszeiten müsse es zumindest den Leistungsträgern in Betrieben gestatten, notfalls über 40 Stunden in der Woche zu arbeiten. Vor einer Rezession durch zu hohe Tarifabschlüsse warnte Gesamtmetall-Präsident Hans-Joachim Gottschol. Lohnerhöhungen von 5,5 bis 6 Prozent würden der wirtschaftlichen Situation in Deutschland nicht gerecht, sagte er am Sonntag im Deutschlandfunk. 1992 sei kein Jahr für reale Einkommenssteigerungen.
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