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Archiv-Artikel

Der nimmersatte PC

Computer im Dauerbetrieb verschwenden unnötig viel Energie. Dabei gibt es längst den Öko-PC

VON MORITZ SCHRÖDER

Abends, 19 Uhr in den Büros der Welt: Lichter verlöschen, Türen werden abgeschlossen. Zu hören ist nur noch ein leises Brummen. Denn die Server und PCs, die Arbeitstiere der modernen Welt, laufen meist weiter, sie bleiben auf Stand-by. Das ist bequem – und extrem umweltschädlich. Was wohl wenige Büro-Angestellten vermuten: Der Dauerbetrieb der Rechenzentren zapft so viel Strom aus den Leitungen, dass weltweit 14 Kraftwerke der 1.000-Megawatt-Klasse dafür laufen müssen. Das hat eine neue Studie der Universität von San Francisco ergeben.

Allein in Deutschland könnte ein Atommeiler vom Netz gehen, wären die PCs effizienter und nur angeschaltet, wenn sie auch gebraucht werden, schätzt Energieexperte Claus Barthel vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie. „Allein ein aufwändiger Bildschirmschoner kostet genau so viel Energie wie der Normalbetrieb“, sagt Barthel.

Und der Energieverbrauch privater und gewerblicher Computer nimmt allein durch das Surfen im Internet weiter zu, so das Ergebnis einer Studie der Wuppertaler ForscherInnen. Waren es vor fünf, sechs Jahren noch 7 Terawattstunden, wird sich die Zahl bei steigender PC-Nutzung bis 2010 mehr als verdreifachen – auf 25 Terawattstunden. Das wären dann 7 Prozent des gesamten Stromverbrauchs.

Die Hälfte des Energieverbrauchs von PCs lasse sich einsparen, sagt der Energieexperte. Denn vor allem durch uneffiziente Netzteile und Lüfter bräuchten die Computer mehr Saft als nötig. Wenigstens die Monitore auf den Schreibtischen arbeiten heute wesentlich ökonomischer als noch vor zehn Jahren, mit dem Austausch der alten Röhrengeräte gegen Flachbildschirme ist der durchschnittliche Verbrauch mit 40 Watt nur noch halb so groß. Und durch die starke Nachfrage nach kleinen Laptops sind auch die Prozessoren verbrauchsärmer geworden.

Bei den stationären Desktop-PCs sieht das jedoch anders aus. Da sie beim Strom quasi an der Quelle sitzen, können sie ruhig viel verbrauchen, so das Kalkül. Ihre Prozessoren sind oft so leistungsfähig, dass sie einen eigenen Lüfter brauchen und damit mehr Strom abzapfen. „Kleine Heizungen“ nennt Barthel diese Stromfresser. Insgesamt mache sich eine aufwändige Computerausrüstung auf der jährlichen Stromrechnung mit 200 Euro bemerkbar – abgesehen von den ökologischen Folgen.

Verbände und Politik wollen daher Auflagen für Elektrogeräte mit hohem Verbrauch einführen. Jüngst forderte die Vorsitzende des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Edda Müller, ein Ökolabel für Computer. Gestern legte Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast nach, sie will Stand-by-Schaltungen verbieten.

Doch auch die NutzerInnen der Geräte sind zunehmend genervt. Im Computerforum heise.de empört sich etwa ein User darüber, dass Computer mit hohem Energiebedarf „weiterhin ungestraft ihren Dienst verrichten“. Ein anderer fordert gar: „Weg mit 3-D-Bildschirmschonern.“

Wer einen umweltschonenden PC will, kann heute beim Kauf auf den „Energy Star“ achten, ein ursprünglich US-amerikanisches Siegel für Rechner mit niedrigem Stromverbrauch. Das Problem: Das Siegel ist nicht verpflichtend und nur bei wenigen Herstellern etabliert. Daher arbeitet die Europäische Union derzeit an einem Zertifikat für alle Geräte.

Weiter gehen die Fachleute vom österreichischen Kompetenzzentrum Elektronik und Umwelt (Kerp). Sie haben gerade einen „Öko-PC“ für den irischen Computerhersteller Micropro entwickelt. Ziel war es, die Standards des EU-weiten Umweltzertifikats „eco flower“ zu erreichen, was bisher kein PC geschafft hat. Der Antrag für das Ökozeichen läuft bereits, mit hohen Chancen auf Erfolg. Mit 4 Watt verbraucht der PC aus Österreich weniger als ein Drittel von herkömmlichen Geräten. Durch eine verbesserte Aufteilung im Inneren soll der PC außerdem länger benutzbar sein, weil die UserInnen ihn auch lange nach dem Kauf nachrüsten können.

Auch eine Öko-Maus wurde bei Kerp entwickelt. Durch den Verzicht auf erdölhaltige Kunststoffe sollen bei der Produktion 65 Prozent weniger Treibhausgase freigesetzt werden. Das einzige Problem: „Die Maus hat einen leichten Eigengeruch und muss häufig aufgeladen werden“, sagt Entwickler Andreas Schiffleitner von Kerp. Er ist daher skeptisch, ob die komfortverwöhnte IT-Kundschaft auf Ökogeräte umsteigt. Zumindest der Wuppertaler Barthel hat Hoffnung: „Vielleicht kommt jetzt der Umschwung, wo alle über den Klimawandel reden.“