Der neue Star des FC Barcelona: Messi wird Messias

Der argentinische Dribbelkünstler in Diensten des FC Barcelona befindet sich in einem turbulenten Reifeprozess. Die Nummer 10 muss die Mannschaft führen und Kritiker überzeugen.

Vom Liebling zum Leader: Lionel Messi, der Dribbling-Künstler. Bild: ap

Mit 21 Jahren entschloss sich Leo Messi, der Welt zu zeigen, dass er erwachsen geworden ist. Er ging zum Friseur und ließ sich die langen Haaren kürzen, die er quasi seine gesamten Teenagerjahre hindurch getragen hatte. So markierte er vor gut einem Monat den Beginn der neuen Saison, in der er ein neuer Messi sein soll. Er trägt nun beim FC Barcelona die 10, er hat die Nummer von Ronaldinho nach dessen Wechsel zum AC Mailand geerbt; er weiß, was die Nummer bedeutet. Dies war das Barça Ronaldinhos, das als Champions-League-Sieger 2006 dem Fußball eine ungekannte Schönheit schenkte und danach vom Himmel stürzte. Nun soll es das Barça Messis werden.

Auf der Suche nach der verlorenen Pracht, die Barça an diesem Mittwoch zum Champions-League-Vorrundenspiel gegen Schachtjor nach Donezk führt, ist Messi nach dem unrühmlichen Abschied von Ronaldinho und Deco abrupt zu Barcelonas Symbolfigur aufgestiegen. In kürzester Zeit hat er dabei die Schmerzen des Erwachsenwerdens kennen gelernt. Bislang war der Argentinier Messi aller Welt Liebling, ein Junge, 1,69 Meter klein, der mit der Sorglosigkeit die unglaublichsten Dribblings hinlegte; irgendwann, ließ sich leicht sagen, würde er der beste Fußballer der Welt sein - und nun soll er auf einen Schlag Woche für Woche die Prophezeiung erfüllen. Die Kritik und die Polemik, die jeden Weltstar pedantisch verfolgen, fingen ihn prompt ein.

"Messi spielt manchmal nur für Messi, er vergisst seine Mitspieler, er will der Sportklub Messi sein", sagte jüngst ein Fernsehexperte namens Diego Armando Maradona. Dass es Maradona war, verdeutlichte den Wahnwitz der neuen Kritik. Denn wenn jemand Messi nachsehen sollte, dass er vor lauter Dribblings mal eine bessere Option übersieht, dann Maradona. Missglückte Auftritte des FC werden nun reflexartig an Messi festgemacht.

Sachlich betrachtet sind es irrelevante Vorwürfe. Messis Dribblings sind so einzigartig, er spielt mitten im Sprint öffnende Pässe, dass es nicht ins Gewicht fallen darf, wenn er zuvor einmal die erstbeste Passmöglichkeit übersehen hat. "Leo Messi ist der einzige Fußballer, der mit Ball schneller läuft als ohne", sagt sein Trainer Pep Guardiola. Die Frage aber ist nicht, ob die Kritik sinnvoll ist, sondern ob sie Messi kaputt macht. Und gerade in den ersten Wochen nach dem jähen Ende seiner jungen Jahre musste man um Leo Messi fürchten.

Ende Juli legte er sich im Training mit Barças Verteidiger Rafael Márquez an, es schien ein banaler Streit um ein Foul. Doch am nächsten Tag machte Messi noch immer ein grimmiges Gesicht und absolvierte das Aufwärmspiel demonstrativ mit den Jungen aus dem B-Team. Er wollte nicht einsehen, dass seine großen Freunde Ronaldinho und Deco von Barça gehen mussten. Dann sah er sich plötzlich unschuldig in einem Streit von nationalem Ausmaß verwickelt: Barça wollte ihn nicht zu den Olympischen Spielen lassen, in Argentinien schürten Medien den Eindruck, Messi setze sich nicht entschieden genug für seine Reise nach Peking ein, er verrate die Heimat, auch damals rief Maradona am lautesten: "Leo müsste bei Barça auf den Tisch hauen, aber dazu fehlt ihm der Charakter." Leo Messi hatte das Gefühl, die ganze Welt sei gegen ihn. Schließlich durfte er zu Olympia. Er gewann Gold, und Barça konnte ihm vermitteln, dass ihr Kampf, ihn zuhause zu behalten, nicht gegen ihn gerichtet gewesen war. Er lachte wieder.

Messi wird nie jemand sein, der eine Mannschaft mit Worten anführt, aber immerhin hat er gelernt, souverän vor der Presse zu sprechen; er hat die Rolle angenommen, mit Taten beim neuen Barça voran zu gehen. Als es am vergangenen Samstag in der letzten Sekunde beim Stand von 1:1 in einem heißen Derby gegen Espanyol Barcelona Elfmeter für Barça gab, nahm sich Samuel Eto'o den Ball. Doch Messi forderte den Ball von Eto'o. "Ich bin dran", sagte er und traf zum Sieg ins Tor. Dass er diese Verantwortung übernommen hatte, schien das ultimative Zeichen des Erwachsenseins. Gleichzeitig aber war es der Beweis, dass er die Unbedarftheit eines Jungen bewahrt. Ach, sagte Messi nachher, er habe den Elfmeter einfach so geschossen, flach ins rechte Toreck, wie schon in der C-Jugend.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.