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■ Der neue Kompromißentwurf für das Holocaust-MahnmalDie falsche Idee, elegant umgesetzt

Michael Naumanns Kompromißentwurf, der Eisenmans Grabfeld mit einem Dokumentationszentrum verbindet, wird höchstwahrscheinlich gebaut. Mag der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck darauf beharren, daß die Entscheidung des Bundestages eigentlich noch offen ist, mag die Finanzierung noch unklar sein – gegen diesen Entwurf kann man nur noch prinzipiell argumentieren, kaum pragmatisch. Zu prinzipiellen Einwänden freilich fehlt allen Beteiligten nach zähem Kampf die Kraft. Zudem hat Naumann seine Idee mit einem taktischen Geschick eingefädelt, das man ihm nach seinem Wahlkampfgedonner kaum zugetraut hätte.

Es gibt nach wie vor genug Gründe, der Grundidee skeptisch gegenüberzustehen: Das Dokumentationszentrum wirkt an diesem Ort wie eine didaktische Begleitung von Eisenmans artifiziellem Entwurf, wie eine Art volkspädagogische Betriebsanleitung. Wenn man dem Eisenman-Entwurf, wenn man der künstlerischen Repräsentation des Holocaust so wenig über den Weg traut – warum baut man ihn dann?

Für diesen nicht ausräumbaren Widerspruch findet das neue Modell nun freilich einen unerwartet eleganten Ausweg. In der Tat scheint die ästhetische Autonomie von Eisenmans Grabfeld weitgehend bewahrt. Im Norden begrenzt die „Wand der Bücher“, ein offenbar im typisch Neuberliner Glas&Stahl-Schick gehaltenes Gebäude, das Areal. Das ist eine Veränderung, aber keine gravierende. Man kann darin auch eine schlichte architektonische Begrenzung des Terrains Richtung Straße sehen. Auch daß Eisenmans Stelenwald verkleinert ist, beschädigt seine Substanz nicht im Kern. Die schrille Kritik, daß Eisenman seine Künstlerseele eitel an die Politik verkauft habe, kann man zu den Akten legen.

Die scheinbar raffinierteste Idee dieses Entwurfs ist auch seine zwiespältigste: die vier Tunnel unter dem Mahnmal, die Holocaust-Austellungen beherbergen sollen. Hier kommt die Idee, das Zusätzliche so zu verbergen, daß es das Kunstwerk unbeschädigt läßt, auf den Punkt. Es bleibt die Frage: Sind diese Tunnel nicht als unbewußte, frivole Hinweise auf den benachbarten Führerbunker lesbar? Und auf jenen Goebbels-Bunker, der bei den Vorarbeiten für das Mahnmal entdeckt wurde? Haben die Architekten dies, beseelt vom Willen zum Kompromiß, einfach vergessen? Alles richtig gemacht, nur das Wesentliche, nämlich den historischen Ort, übersehen – das wäre eine hübsche Schlußpointe im endlosen deutschen Mahnmalstreit. Stefan Reinecke

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