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ISRAEL: AMTSVORGÄNGER BARAK WIRD SCHARONS FEIGENBLATTDer nette Butzemann

In der Armee wurde Scharon nachgesagt, er sei ein glänzender Taktiker, zum strategischen Denken aber unfähig. So ist es auch in der Politik: Scharon konzentriert sich ganz auf das nächste Ziel, verfolgt es mit ungeheurer Hartnäckigkeit. Aber wenn es erreicht ist, vergisst er alles, was er gesagt und getan hat, und macht sich an die nächste Arbeit.

Jetzt besteht die taktische Aufgabe des neuen israelischen Premiers darin, seine Regierung salonfähig zu machen. Im Ausland ist er berüchtigt: Die Kriegsverbrechen und Gewalttaten, die mit dem Namen Scharon verbunden sind, verfolgen ihn. In seiner nächsten Umgebung sind ein paar Gesellen, im Vergleich zu denen Le Pen und Haider Waisenknaben sind. Also muss ein neues Image geschaffen werden. Gemäßigte Worte, gemäßigte Taten. Die Welt staunt: Der Butzemann ist doch ein ganz netter Herr. Und wer kann das besser bezeugen als der Mann, der noch gestern behauptet hat, Scharon würde das Land und die Welt in ein Unglück stürzen? Deshalb bietet Scharon Ehud Barak den wichtigsten Posten in seiner Regierung an: den als Verteidigungsminister. Auch Friedensnobelpreisträger Schimon Peres soll etwas bekommen: das Außenministerium. Dort kann er Präsidenten empfangen, Könige besuchen, UNO-Reden halten . . .

Die Schamlosigkeit, mit der die Führer der geschlagenen Arbeitspartei bereit sind, Scharons Weg zu ebnen, ist sogar in Israel beispiellos. Ein paar Stunden nachdem die Wahlergebnisse klar wurden, hat Barak ritterlich die Verantwortung übernommen. Wie sein Vorgänger Benjamin Netanjahu in ähnlicher Lage hat er erklärt, er trete zeitweilig aus der aktiven Politik aus. Kaum einen Tag später war davon keine Rede mehr. Die Idee, dass der verhasste Widersacher Peres die Arbeitspartei übernehmen könnte, war Barak einfach zu viel. Der Wahlverlierer ernannte eine Delegation für Verhandlungen mit Scharon, ließ seine Bereitschaft durchblicken, Nummer zwei in dessen Kabinett zu werden. Als Anzahlung erklärte er, alle seine Abmachungen mit Arafat seien jetzt ungültig – und ließ sofort zehn palästinensische Häuser im Gazastreifen demolieren.

Wenn alles klappt, wird Scharon sein erstes Ziel erreichen: Die Arbeitspartei wird für ihn als Feigenblatt fungieren. Amerika und Europa – einschließlich Deutschland – werden ihm aus reiner Erleichterung zujubeln. Dann kann sich der General ungestört der nächsten Aufgabe widmen: der gewaltsamen Niederschlagung des palästinensischen Aufstands. URI AVNERY

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