: Der letzte Säufzer
■ Eine alkoholische Anthologie
Das Thema dunstet durch die Luft; Haffmans plant den DurstRaben, ein westdeutscher Kleinverlag will anthologisch Alkofuture zwischen zwei Deckel ziehen. Bezogen mit agraphischer Schmierage stoßen jene von Säufzer dilettantisch kinderbuchartig ab. Leicht naiv auch kündet der mutmaßliche Herausgeber vorwortens von „begeisterten Alkoholikern“. Wasn das? Lügen die nicht, die Euphoriker? („Der Alkohol ist immer eine Droge, niemals nur ein Stimulans.“ Dr. Robert Cabot) Aber wenn sie meinen, meinetwegen. Immerhin reicht das spritzige Spektrum des errataträchtige (Fiele Vehler) Kraut & Rüben-, Trauben & GerstenBuches von Anti & Alpha bis zum abgenippelten OmegaSäufer. Oberlehrer Thomas Mann doziert, Unterhund Charles Bukowski - als Barfliege auch im Kino bekichert kokettiert wie gehabt. Idiotisch idolisierend tröpfelt immer wieder Dylan Thomas‘ poetisches Potatorium aus so manchem Abrege. Auch grausige Schilderungen desolater LangzeitAbstürze vermitteln im Kontext eher den Eindruck anstrebenswerten, exotischen Elends, weil wohl kreativ. Zumindest identifiziert sich kein Aas mit dem kleinbürgerlichen Trinker von Fallada oder Nelson Algrens blindem Stinkstiebel in der Tug & MaulBar. Oder doch? Nee, wa?
Ein Kapitel aus der Kapitulation vom Saufaus Ernst Herhaus hätt‘ noch reingehört, dringend, in dieses verpietschte Sammelsurium. Dafür berichtet Upton Sinclair, leider ziemlich zeigebefingert, von zerebralen Zusammenbrüchen in Hollywood: Klaus Mann, Douglas Fairbanks, John Barrymore. Allzu bekannte Bacchanten der mittlerweiligen Weltliteratur trockenkotzen, klugscheißen oder geben sich genießerisch diszipliniert; viel zu vereinzelt lassen neuere Leute - wie Peter Rosei, Otto Jägersberg, Frank-Wolf Matthies - bemerkenswert pokulieren. Könnte das nun dem jungen Menschen zum (literarischen!) Einstieg dienen oder isses schlichtweg daneben? Sollte man sich anregen lassen davon oder das Geld besser gleich ebriositätsfördernd anlegen? Na?
Dem Entschlußfreudigen jedenfalls ein kräftiges bibamus! Was soviel heißt wie Ihrwerdetschonsehenwodasendet!
Norbert Tefelski
Säufzer, Geschichten über den Alkohol, Wolke Verlag, Hofheim, 400 Seiten, gebunden, 32 Mark
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen