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Der langsame Mord an Sarajevo

■ „Warchitecture“: Ausstellung mit Fotos aus der zerbombten Stadt/ Bosnische Architekten suchen internationale PartnerInnen

Der olympische Sportpalast in Sarajevo, erst 1983 zur Winterolympiade erbaut, ist von Granaten zertrümmert. Die moderne Universitäts-Klinik war erst drei Jahre alt, als sie von serbischen Bomben zerstört wurde. Das Parlament und Regierungsgebäude der Republik Bosnien-Herszegowina ragt in den Himmel, streckt sich in eine bessere Zukunft. Mehrere serbische Granaten haben riesige Löcher in die Außenmauern gerissen.

Architekten aus Sarajevo wollten der Zerstörung der Bauten aus knapp 500 Jahren nicht tatenlos zusehen. „Wir konnten die Häuser nicht direkt schützen, nur die Zerstörung registrieren“, sagt Nazif Hasanbegovic, Architekt der bosnischen Architektenvereinigung Das-Sabih. Zusammen mit vier Kollegen filmte und fotografierte er die Häuser Sarajevos, dokumentierte die Zahl der Einschußlöcher, registrierte den Grad der Zerstörung in verschiedenen Stadtteilen. Während von den Bergen um Sarajevo serbische Tschetniks weiter versuchten die Stadt zu ermorden, dachte sich Hasanbegovic: „Ihr könnt unsere Stadt zerstören, aber niemals unsere Seele“.

„Es ist ein Projekt der Hoffnung“, sagt Hasanbegovic. Ziel müsse es sein, zu einer toleranten Stadt zurückzukommen. Architekten in Bosnien und Europa sollten schon heute über den Aufbau Sarajevos nach Kriegsende nachdenken. „Unsere Stadt ist unsere Hoffnung“, sagt Hasanbegovic, der über religiöse oder ethnische Unterschiede seiner Kollegen nicht sprechen mag. „Wir sind alle Bosnier in der Gruppe“.

Mit der Ausstellung „Warchitecture“ will die von der Unesco, der Architektenkammer und verschiedenen privaten Spendern unterstützte Gruppe Das-Sabih europäische StadtplanerInnen und ArchitektInnen kennenlernen. Sie wollen auf den Urbizid, den Mord an der Stadt, aufmerksam machen, der sich auf die Auslöschung einer ganzen Kultur richtet. Am deutlichsten zeigt sich dies an der ausgebrannten Universitätsbibliothek. Sie beherbergte tausende arabische, türkische und persische Manuskripte über Geographie, Theologie, Philosophie, Naturwissenschaften, Mathematik und Kunst. „Das Stahlgerüst des Daches, durch das die Raketen fielen, sieht aus wie ein riesiges Spinnennetz, die Bogengänge des Innenhofes zeigen nur noch die alte, feine Gipsarbeit, seine Mitte ist ein ungeheurer Haufen aus Trümmern, Schutt, Streben und versengten Papieren“, schrieb der spanische Schriftsteller Juan Goytisolo 1993 über die Bücherei.

Die bosnischen Architekten haben die Reste ihrer Kulturstadt Sarajevo sehr nüchtern aufgenommen. Kein Mensch ist auf den Bildern zu sehen, nur von Menschen vernichtete Bauwerke. Ohne Worte und Pathos kommt auch der Film über die Stadt aus: Er leitet die Besucherin durch Sarajevo, zeigt Häuser, Kirchen, Moscheen. Kurze Einblenden reihen die Bauwerke in Epochen ein, überlassen unsentimental der Betrachterin eine Wertung. Die hölzerne Moschee, erbaut 1591, zerstört 1992. Die orthodoxe Kirche, erbaut 1542, zerstört 1993.

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Noch bis zum 7. April im Planungsamt, Langenstraße 38/42, 10-18 Uhr. Außerdem werden Nazif Hasanbegovic und sein Kollege Darko Sefic am 29. März um 19.30 Uhr einen Vortrag über die Geschichte Sarajevos halten.

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