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Der kurze Sommer der Antifa

Die Förderung antirassistischen Engagements ist in Brandenburg weiterhin dringend notwendig, wie beim Abschluss der Kampagne „Aktion Analyse“ am Montag in Frankfurt (Oder) deutlich wurde

„Jeder Bürgermeister, der nicht über Leute wie euch froh ist, ist einfach bescheuert“

aus Frankfurt (Oder)CHRISTOPH SCHULZE

Lange ist er her, der viel beschworene Aufstand der Anständigen gegen Neonazis und Rassismus, damals im Sommer des Jahres 2000. Allerorts gab es Bekenntnisse gegen rechts, zivilgesellschaftliches Engagement wurde plötzlich geschätzt, staatlicherseits eine Vielzahl von Programmen und Fördertöpfen ausgelobt. Und heute?

Wie viel vom Antifasommer vor zwei Jahren in Brandenburg, einem der Bundesländer mit den meisten rassistischen Übergriffen, angekommen ist, wurde am Montag in Frankfurt (Oder) hinterfragt. Ein dreiviertel Jahr lang hatten zuvor in elf Brandenburger Städten selbst organisierte Jugendgruppen recherchiert, was in ihrer Heimat los ist. Die Präsentation der Ergebnisse im Rathaus Frankfurt (Oder) bildete den Abschluss der „Aktion Analyse“, einer vom Demokratischen Jugendforum organisierten Nachfolgekampagne zur „Aktion Noteingang“.

„Das Fazit ist so einfach wie bedrückend: Rassismus und Rechtsextremismus sind unverändert präsent, ebenso wie demokratische, das heißt selbst und mitbestimmte Räume in vielen Brandenburger Kommunen nach wie vor fehlen“, bilanzierte „Aktion Analyse“-Vertreter Knut Steinkopf in der Eröffnungsrede. Es ließen sich zwar regionale Verschiebungen der Schwerpunkte rechter Umtriebe feststellen, auch punktuelle Verbesserungen seien in einigen Kommunen spürbar, Entwarnung könne aber nicht gegeben werden.

Jüngstes Opfer rassistischer Gewalt ist der Russlanddeutsche Kajrat B., der im Mai in Wittstock zusammengeschlagen wurde und wenige Wochen später seinen Verletzungen erlag (taz berichtete). Dennoch würden alternative Jugendgruppen vielerorts immer noch eher als Problem denn als Gesprächspartner begriffen, bedauerte Steinkopf. Von Seiten der Landesregierung habe es im Flüchtlingsbereich, unter anderem unter dem Eindruck des 11. Septembers, sogar Verschärfungen gegeben. Die Fördergelder für antirassistisches Engagement würden zudem allmählich versiegen. „Wer demokratische und partizipatorische Strukturen will, wer eine selbst bestimmte Jugendbewegung will“, so Steinkopf, „der sollte statt Steuern zu zahlen in unsere Netzwerke spenden.“ Dann gab er sich kämpferisch: „Uns könnt ihr nicht wegkürzen.“

Als die „Aktion Analyse“-Gruppen aus den einzelnen Städten sich und ihre Arbeit vorstellten, wurde das zwielichtige Bild vom selbst ernannten „Toleranten Brandenburg“ bestätigt. Stephan Neidert vom „Piraten e. V.“ schilderte beispielsweise das „national-konservative Klima“ in seiner Stadt Spremberg und wie rassistische Übergriffe von den Stadtoberen gern als „Auseinandersetzungen zwischen Jugendbanden“ bezeichnet würden.

Dass Brandenburger Schüler vielfach völlig falsche Vorstellungen zum Thema Migration haben, wies die Neuruppiner „Aktion Analyse“-Gruppe nach. Die Auswertung einer repräsentativen Umfrage an Neuruppiner Schulen brachte Erstaunliches zutage. Im Schnitt schätzten die Schüler den Anteil von Ausländern an der Gesamtbevölkerung Brandenburgs auf 20 Prozent. Der korrekte Wert liegt bei 1,9 Prozent. Die monatlichen Bargeldbezüge von Asylbewerbern wurden auf 235 Euro geschätzt, ebenfalls weit vorbei an den tatsächlichen 40 Euro.

In einer weiteren Frage wurden die Schüler aufgefordert, Menschengruppen (zum Beispiel: Juden, Türken, Deutsche) Eigenschaften (fleißig, pünktlich, ehrlich) zuzuweisen. Achtzig Prozent der Befragten füllten die Tabelle ohne Bedenken aus. „Wir finden, dass dadurch eine allgemeine Offenheit gegenüber rassistischen Denkmustern deutlich wird“, kommentierte die Sprecherin der Neuruppiner Aktionsgruppe, Mirjam Hirsch.

Jugendliche aus Vetschau dokumentierten die Übergriffe von rechts in ihrem Städtchen in einem Videofilm. Der einzige Treffpunkt für Alternative, der Proberaum der Punkband Warndreieck, wurde am Montag von der Stadt geschlossen. Die Beiträge aus den Städten wurden von einem Laudatorenteam gewürdigt und mit Sachpreisen wie Buchpaketen oder Seminargutscheinen belohnt.

Anetta Kahane, die Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung, zeigte sich begeistert: „Jeder Bürgermeister, der nicht froh ist, Leute wie euch zu haben, der ist einfach bescheuert.“ Eine funktionierende Demokratie könne man am besten an der Behandlung von Minderheiten messen, sagte die Laudatorin: „Und genau das fordert ihr in eurer Arbeit ein, darum sind eure Beiträge so wertvoll.“

Mehr Infos unter www.inforiot.de und www.aktion-analyse.org

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