KOMMENTAR: Der häßliche Deutsche
■ Das Urteil der Delegation über die Humboldt-Uni stand bereits fest
Die HUB, so scheint es, verschießt ihr letztes Pulver. Rektor Fink ist seit dem vergangenen Jahr entlassen. Wegen Stasi- Verdacht. Anfang der Woche hielt sich nun eine internationale Delegation von Wissenschaftlern und Menschenrechtsexperten in Berlin auf. Sie waren gekommen, um sich an Ort und Stelle zu informieren. Dabei brachten sie aber zugleich Listen von schwedischen und Schweizer Intellektuellen mit, die sich mit dem geschaßten Rektor solidarisieren. Soweit so gut. Es ist mehr als legitim, sich für Fink einzusetzen. Doch bei der Delegation konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß sie gekommen war, um den »häßlichen Deutschen« wiederzuentdecken. Allenthalben wurde auf der Veranstaltung in der HUB, auf der die Teilnehmer ihre Gespräche mit Wissenschaftssenator Erhardt und der Gauck- Behörde resümierten, auf die jüngste deutsche Geschichte verwiesen. Um nicht mißverstanden zu werden: Das Ausland tut gut daran, nicht nur die außen-, sondern auch innenpolitischen Folgen der Vereinigung aufmerksam zu verfolgen. Doch die Delegation schien nur gekommen zu sein, um ihre Vorurteile bestätigt zu wissen. Wenn der schwedische Rechtsanwalt Eric Göthe darauf verwies, schon seit Jahren gegen die Berufsverbote in der alten BRD gekämpft zu haben, ist das ehrenhaft. Nur: Heute geht es um eine ganz andere Dimension eines »deutschen Problems«. Es geht um die Aufarbeitung einer untergegangenen Gesellschaft, die versucht hat, ihre Kontrolle bis weit hinein in das Privatleben ihrer Bewohner auszudehnen. Den Delegationsmitgliedern war nicht anzumerken, daß sie diese Dimension erkannt hätten. Etwas anderes ist es, auf die rechtlichen Methoden bei der Entlassung von Fink aufmerksam zu machen. Davon war aber an diesem Abend wenig zu hören. Statt dessen erging man sich in Wertungen und Angriffen auf die Gauck-Behörde. Aber vielleicht reicht ein zweitägiger Besuch zu mehr nicht aus. Severin Weiland
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