■ Urdrüs wahre Kolumne: Der große Walfisch
Heute Showtime bei der CDU im Bremer Park-Hotel. Angeschickerte Kaufleute im kleinen Bieranzug, die Damen in Dirndl, Laura Ashley oder Mady Nolte und mittenmang der große Walfisch Helmut Kohl. Wird er auch heute sein Ehrenwort gegenüber den Komplizen und dem Rest der Nation halten? Haben die vereinigten Waffenhändler schon Rotwein und Vollbad bestellt? Wurde Werner Mauss schon gesichtet, oder muß Bernd E. Neumann persönlich dem entehrten Vorsitzenden erläutern, wie die Spielregeln sind, wenige Wochen vor den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein? So viele Fragen, so wenige Antworten. Und hoffendlich geizen die Gäste nicht mit dem Trinkgeld für die Taxifahrer.
Der Knaben drei stromern durch die Kaufhalle am Brill. Machen halt vor einem Drehständer mit Büstenhaltern und versuchen schließlich mit erkennbar geringer Routine, ihrem eigenen Kumpel so ein Gestell vor die Brust zu binden. Das Ergebnis scheint die vielleicht Zwölfjährigen aber doch irgendwie zufriedenzustellen, denn anerkennend schnalzt der eine mit der Zunge und singt mit der Perfektion des Dauerkonsumenten nächtlicher Werbespots: „Rufe mich an. Sechsmal die Sechs“. KAUFHALLE. Das pralle Leben.
Dieter Trappmann. Wieder mal diese absolute Fehlinterpretation der Gottebenbildlichkeit des Menschen. Wo sämtliche KZ-Wärter, Henker und Soldaten dieser Welt sich für ihre Taten wenigstens noch auf Befehlsnotstand berufen oder scheinheilig beteuern, dass ihnen die Rechtslage leider leider keine andere Interpretationsmöglichkeit lässt, da bekennt sich der bremische Ausländeramtsleiter wieder kackfrech zu seinem So-Sein und Nicht-anders-sein-wollen. Da ist also dieser 19-jährige Russe, der nicht zum Töten in Tschetschenien gezwungen werden möchte, als Asylbewerber abgelehnt wurde und dann ohne Papiere abgeschoben werden soll. „Wir haben einen Weg gefunden“, prahlt Trappmann. Man wird Wege finden müssen, ihm das Handwerk zu legen – sein inquisitorischer Eifer macht ihn zu gefährlich für den Job ...
Nicht vergebens forderten wir in der vergangenen Woche an dieser Stelle „Gott auf die Expo!“ Schlagertenor Karel wird jetzt doch bei der Weltausstellung in Hannover von der Biene Maya singen. Und weil diese Offensive so erfolgreich war, sei gleich die nächste gestartet: Corinna May zum Grand Prix. Damit Gerechtigkeit am Ende doch noch siegt. Kann sich doch Willi Lemke mal bei seiner Kultusministerkonferenz für einsetzen!
Mit dem Weltmeister-Akkordeon von Hohner ausgestattet ist er der älteste Musikus, der da heute an der Obernstraße in die Tasten langt, aber sein Spiel ist auch bei äußerst geringen Maßstäben kaum als weltmeisterlich zu betrachten. Und wie er gerade „Freut euch des Lebens ...“ intoniert, fällt eine respektabel wirkende Passantin singend ein „Großmutter wird mit der Sense rasiert ...“ Ist dann doch etwas verlegen, legt einen Zehnmarkschein (!) in den Kasten und muntert den schlichten Virtuosen mit den Worten auf: „Ist ja nicht ganz leicht, von der Kunst zu leben!“ Solche Heldinnen des Alltags wären vermutlich sehr traurig, wenn die Innenbehörde Ernst machte mit dem Friedhofskonzept „Gute Stube Innenstadt“!
Als aktive Sühne erwarten wir, dass der innenpolitische Unions-Bullizist Rolf „Lachnummer“ Herderhorst in kurzen Hosen und mit einem Blumenstrauß (und natürlich ohne Uniform) ins Sielwallhaus kommt, sich dort anständig entschuldigt und beim Antirassismusbüro staubsaugt oder den Abwasch macht. Hinterher noch eine Spende und wir sagen „Schwamm drüber, Rolfi!“ Bis zum nächsten mal, grüßt
Ulrich „Terminator“
Reineking
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