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Der gläserne Star

■ E und seine Eels spielen mit der Offenheit der Machtlosen

Okay, wir haben's kapiert. E ist der Anwalt aller Entstellten und Ausgestoßenen. Der komische Kopf hinter den Eels, der sich seiner geheimsten Neurosen nicht schämt, singt vom „Beautiful Freak“ und von „My Beloved Monster“. Er weiß, wie es sich anfühlt, wenn man seinen Schmerz mit „Novacaine For The Soul“ betäubt, und er kennt das Gefühl, nie auf der „Guest List“ zu stehen. Kurz: Sein bester Buddie ist die Angst. Wer die Tracklist des Eels-Debüt Beautiful Freak liest, kann sich dieser Erkenntnis schwerlich entziehen.

E, der bürgerlich Mike Edwards heißt, ist die Stimme der Machtlosen. Daß er dabei extrem mächtig ist, muß als einer seiner vielen Widersprüche verbucht werden. Ein anderer: Der Mann, der das Unperfekte zu seinem großen Thema gemacht hat, spielt perfekte Popmusik. Weiche, gänzlich unaufdringliche HipHop-Beats werden unter Gitarren gelegt, die schwer rocken, aber niemals schmerzen, und dazu pumpt sich der Ami Elemente aus den besten Rock-Melodramen – etwa aus Lou Reeds „Berlin“.

Beautiful Freak ist ein niedliches Monstrum aus Harmonie und harten Riffs, aus Chorgesängen und kruden Samples. Kein Wunder also, daß die Mächtigen des Musikbetriebs auf einmal ihr Herz für die Machtlosen entdeckt haben: Das Debüt-Album des Trios erschien als erstes Produkt des neuen Labels DreamWorks, bei dem mit Stephen Spielberg, David Geffen und Mo Ostin ein paar legendäre Bonzen des Business mitmischen.

E nimmt den Wirbel, den diese Tatsache in den Staaten ausgelöst hat, gelassen. „Das hat viele Vorteile“, sagt er. „Aber auch einige Nachteile.“ Mit denen läßt es sich leben. Denn schließlich wollte er seit seiner Jugend in einem Kaff irgendwo in Virginia, wo er ziemlich alleine vor sich hinverzweifelte, richtig berühmt werden. Sagt er dir so ins Gesicht – und noch ganz andere Dinge.

„Seit ich in der Therapie bin, weiß ich, daß man in allem offen sein muß. Es lohnt sich nicht, irgend etwas zu verbergen.“ Und so ist man schockiert, weil der 30jährige Wahlkalifornier im Interview privateste Traumata vor einem ausbreitet. Ganz ernst, ohne dabei auch nur einmal hinter den dicken Brillengläsern zu blinzeln. Die Strategie dieses gläsernen Stars ist dabei so einfach wie schlüssig: Wer keine Geheimnisse hat, den kann niemand vorführen. Die Eels sind eine sichere Nummer.

Christina Buß

Mo, 18. November, 21 Uhr, Mojo

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