: Der gelbe Mann
Mit einem beeindruckenden Etappensieg in den Pyrenäen holt sich Lance Armstrong die Führung bei der Tour
BERLIN taz ■ Alle Zweifel, die vergangene Woche nach der Zeitfahrniederlage von Lance Armstrong gegen den Kolumbianer Santiago Botero an der Form des US-Amerikaners aufgekommen waren, hielten nur bis zum Tourmalet. Dort zog der Texaner gestern wenige Kilometer vor dem Ziel in La Mongie gemeinsam mit seinem Edelhelfer Roberto Heras entschlossen das Tempo an und ließ das vom Spanier Igor González de Galdeano getragene gelbe Trikot zügig hinter sich. Wenig später durfte sich Armstrong das begehrte Hemdchen selbst überziehen. Und als sei das noch nicht genug, hatte er sich mit einem fulminanten Schlussspurt auch den Sieg bei dieser 11. Etappe der Tour de France geholt, der ersten, die durch das Hochgebirge über die Pyrenäenpässe am Col d’Aubisque und Col du Soulor, schließlich hinauf zum Tourmalet führte. „Es war heute sehr schwer, sehr heiß, und ich bin sehr glücklich“, sagte Lance Armstrong im Ziel.
Allein Joseba Beloki vom Once-Team hatte den beiden US-Postal-Fahrern folgen können, am Tagessieg vermochte er den Texaner trotz emsiger Bemühungen auch nicht zu hindern. Immerhin schaffte er es, die Dramaturgie im Armstrong-Team ein wenig durcheinander zu bringen, denn offensichtlich sollte Heras zur Belohnung für seine wackere Arbeit beim entscheidenden Angriff den Etappensieg von seinem Boss geschenkt bekommen. Erst als Armstrong sah, dass der Spanier seinen Landsmann Beloki wohl nicht würde schlagen können, schritt er selbst zur Tat. Kurz zuvor hatte das Trio den Franzosen Laurent Jalabert überholt, der nach mehr als hundert Kilometern Alleinfahrt noch mit mehr als drei Minuten Vorsprung in den letzten Anstieg gegangen war, am Etappensieg schnuppern durfte und am Ende doch nur Neunter wurde.
Vor der heutigen zweiten Pyrenäen-Etappe über 199,5 km von Lannemezan zum Plateau de Beille liegt Lance Armstrong nun 1:12 Minuten vor Beloki und 1:48 Minuten vor Galdeano, der den Rückstand gestern immerhin auf 1:54 Minuten begrenzen konnte. Danach folgen der Litauer Raimondos Rumsas (3:32) und der Kolumbianer Santiago Botero (4:13). Armstrong hat also auf dem Weg zu seinem vierten Toursieg in Folge vor allem die beiden Fahrer aus dem Once-Team von Manolo Saiz im Nacken, und wer der offizielle Herausforderer ist, hat sich auch geklärt. Ganz klar, Joseba Beloki, sagte Galdeano bereits vor den Pyrenäen, denn Beloki sei der Bergspezialist und schließlich schon zwei Mal Dritter bei der Tour gewesen. Der Verlauf der gestrigen Etappe, auf der Erik Zabel sein grünes Trikot zurückholte und Jens Voigt schwer stürzte, gaben dem ehemaligen Gelbträger Recht.
Der Kampf um die Spitze hat seit gestern wieder bekannte Züge angenommen. Lance Armstrong ist vorn, die anderen müssen auf eine Schwäche hoffen, wie sie in den letzten Jahren selten kam. Schon jetzt scheint der einzig verbliebene ernsthafte Herausforderer Beloki zu sein, dem jetzt die Jan-Ullrich-Rolle der letzten Jahre zufällt: Immer wieder angreifen, immer wieder sein Glück versuchen, möglicherweise immer wieder scheitern an der Unbeugsamkeit des 32-jährigen Texaners. Beloki hat dabei das Problem, dass er nicht nur seinen Rückstand aufholen müsste, sondern auch genügend Vorsprung herausfahren, um sich beim Einzelzeitfahren des vorletzten Tourtages Armstrong vom Leib halten zu können. Klingt wie eine ziemlich unlösbare Aufgabe. MATTI LIESKE
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