■ Der geheimnisvolle Betonfrosch-Entführer gibt seine Identität preis: „Ich würd's wieder tun“
Washington (taz) – Eine bizarre Froschentführung, die sich im vergangenen Jahr in Swansea im US- Bundesstaat Massachusetts abspielte, ist lückenlos aufgeklärt: Der Täter hat gestanden.
Ostern 1998 bemerkten Gertrude und John Knight das Fehlen eines ihrer zwei Betonzierfrösche, die schon seit Jahren den Mittelpunkt ihres gepflegten Vorgartens bildeten. Das Rentnerehepaar vermutete einen Dummejungenstreich, doch dann erhielt es ein Lebenszeichen: eine Postkarte von der Chesepeake Bay, der großen Bucht vor den Toren Washingtons. „Er schrieb, er sei es leid, auf dem Rasen rumzusitzen, und müsse mal raus“, erzählt die 67jährige Gertrude Knight. Unterzeichnet war die Karte mit den Worten „Alles Liebe, der Frosch“.
Kurz darauf meldete sich der immerhin fünf Kilogramm schwere Frosch per Brief aus New York und legte diesmal auch ein Foto bei, das ihn vor einer U- Bahn-Station zeigte. Man möge auf Lady Frog achten, bat er, er werde Weihnachten zurück sein und bald wieder schreiben. Von nun an kam Post aus aller Welt: aus der Schweiz, Schweden und Frankreich – hier hielt sich der Frosch nur kurz auf, weil der Appetit auf Froschbeine höchst gefährlich sei, so der Reisende. Es folgten Briefe aus Hawaii, Italien, England, Japan und Indonesien, fast immer mit Foto vor inzwischen exotischer Kulisse.
Als ehemaliger Tankstellenbesitzer verdächtigte John Knight zunächst einen seiner alten Kunden, einen Piloten, der Froschverschleppung. Doch der Mann war eindeutig unschuldig – und die Knights tappten weiterhin im dunkeln. Wenige Tage vor Weihnachten klingelte dann das Telefon. Ein anonymer Anrufer wies Gertrude Knight an, nach dem Frosch Ausschau zu halten. „Er sagte, er kommt am 21. Dezember gegen Mittag an. Dann wurde aufgehängt“, berichtet sie.
Und tatsächlich fuhr am 21. Dezember – unter reger Anteilnahme der Presse – eine Limousine bei den Knights vor. „Ich lief raus, der Fahrer machte die Tür auf, und da saß der Frosch – angeschnallt.“ Der Heimkehrer war unversehrt und brachte eine Flasche Champagner, einen Blumenstrauß und eine Karte des Entführers mit. „Ich hätte nie gedacht, daß der Scherz einmal solche Ausmaße annehmen würde. Sie kennen mich nicht und haben mich auch nie getroffen“, schrieb er. Er habe gut auf den Frosch aufgepaßt. „Das sollten sie jetzt auch tun und ihn drinnen wohnen lassen. Fröhliche Weihnachten und danke, daß sie keine Spielverderber waren. Gezeichnet, der Frognapper.“
Auch nach der Rückgabe des Frosches blieb die Identität seines Reisebegleiters lange geheim. Allerdings gaben sich nun ständig aufdringliche Anrufer bei den Knights als „Frognapper“ aus. Der wahre Täter sah sich daher gezwungen, sein Geheimnis zu lüften, und stellte sich: Phil Girard, ein renommierter Tätowierer aus Rhode Island. Beruflich viel unterwegs, hatte er sich den Frosch, wie er zugab, gezielt für seine Unternehmung ausgesucht – als „Basis für ein Sammelalbum“, wie er sagt. Die Odyssee mit der Betonfigur sei sehr unterhaltsam gewesen, erzählt er, vor allem die Abenteuer beim Zoll. „Die dachten, ich hätte Schmuggelware in Form eines Frosches bei mir. Aber es machte Spaß, das alles zu erklären.“
Phil Girard und die Knights waren tatsächlich nicht miteinander bekannt. Doch während Girard Tattoo-Conventions in aller Herren Länder besuchte und seine Postkarten schrieb, stellte er Erkundigungen über die Froscheigner an. Dabei fand er heraus, daß sein Vater Gertrude Knights Cousin war. Ungeachtet aller familiären Bande haben die Knights erklärt, den echten Frognapper zu mögen. „Er ist ein netter Kerl“, sagt John Knight – obwohl Phil Girard in Sachen Froschentführung keine Reue zeigt. „Ich würde es wieder tun“, versicherte er.
Der Frosch wird inzwischen aus Sicherheitsgründen im Haus aufbewahrt. Horst Kläuser
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