Kommentar: Arbeitsmarktpolitik : Der Zynismus regiert
Die Arbeitsverwaltung feiert Erfolge: Über 45.000 Menschen hätten allein im vergangenen Monat einen Job gefunden, lobt der Sprecher der Düsseldorfer Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit, 3.800 mehr als im Vorjahr. Davon haben sich 27.700 Arbeitssuchende ihre neue Stelle selbst gesucht. Auch machten sich immer mehr selbstständig.
Schöne Zahlen. Nur: Mit der Realität des nordrhein-westfälischen Arbeitsmarkts haben sie wenig, mit an Potemkin erinnernden zwanghaftem Optimismus um so mehr zu tun: Die Arbeitslosenquote steigt selbst im Sommer kontinuierlich an, auf eine freie Stelle kommen rund 18 Bewerber. Die Chancen nicht nur für gering qualifizierte, ältere oder alleinerziehende Arbeitssuchende gehen damit gegen Null.
Dennoch stricken nun auch die Arbeitsagenturen kräftig mit am Märchen des faulen, demotivierten, unflexiblen Arbeitslosen, dem nur Druck zu mehr Engagement verhilft. Wie von der Politik bestellt werden die ersten Erfolge der Hartz-Gesetze abgefeiert, und die Landesregierung lanciert mit der Seniorenwirtschaft das nächste gehypte Arbeitsfeld, auf dem – wie schon in der abgestürzten Medienbranche – angeblich hunderttausende neue Jobs nur auf ihre Entstehung warten.
Eine Antwort auf den mit Hartz IV drohenden Absturz auf Sozialhilfeniveau ist das nicht – und das wissen die Menschen, die sich heute auf der Straße wehren. Stattdessen regiert der Zynismus: Die Zahlenakrobatik soll über die Wahlen retten.
ANDREAS WYPUTTA