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Der Ziegenbart beim Flirten und Faseln

■ Richard Linklater frischt mit Before Sunrise die Lovestory mit Jugendkultur auf

Die Generation X, das ist jene Gruppe von abgeklärten und trägen Twens, die den Sinn im Leben gar nicht erst sucht, weil sie irgendwie spürt, daß es ihn nicht gibt. In Filmen wie Reality Bites und Singles wurde der labile Seelenzustand der orientierungslosen Twentysomethings bis in die letzte, hohle Ecke solange ausgeleuchtet, bis es rundweg langweilte.

Obwohl Richard Linklater mit seinem Speilfilm-Debut Slacker noch eifrig bei den Generation X-Filmen mitmischte, eilt er nun der Gattung mit Before Sunrise zur Hilfe, einer frischen „boy meets girl“– Variation, die so weit von der Lost Generation entfernt ist wie die Klaus Kinski-Biographie I Need Love von von Georges Batailles Le Mort.

Über diese Lektüre lernen sich der amerikanische Journalist Jesse (Ethan Hawke) und die französische Literaturstudentin Celine (Julie Delpy) bei einer Interrail-Zugfahrt nach Wien kennen. Er sehnt sich nach Liebe, sie fürchtet den Tod. In Wien bewegt er sie zum Aussteigen, und bevor sich ihre Wege am nächsten Morgen trennen werden, legen sie einen psychologischen One-Night-Stand erster Güte vor der ebenso morbiden wie romantischen Kulisse Wiens hin. Im Zeitraffer wird heftig geflirtet, pausenlos gequatscht und affirmativ getröstet. So wird „Ich fühlte mich wie ein ungebetener Gast auf der Party des Lebens.“ mit „Das ist so traurig“ abgetan.

Dabei bringt Julie Delpy, zuletzt in Killing Zoe, das Kunststück fertig, zwei scheinbar so unvereinbare Rollenfächer wie Kumpel und Heilige zu einer erotischen Melange zu verquirlen. Ethan Hawke als „lonesome cowboy“ fällt dagegen ab. Hingegen hat Linklater den silbernen Berliner Bären für die beste Regie wohl zu Recht in die Pfoten bekommen, da er die Love-Story nicht zum plombenkillenden Sahnebonbon verkommen läßt und dem drohenden Kitsch mit fein dosierten Zynismen entgegensteuert. So darf auch der einsame Single ob der gelegentlichen Unbeholfenheit Jesses oder der stellenweise charmanten Realitätsferne Celines böse in sich hineinkichern. Nicht immer, aber ... Reality Bites!

Karin Midwer

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