: Der Zauberer und die Transvestiten in Soutanen Von Ralf Sotscheck
Daß man mit Gottes Hilfe Fußballspiele gewinnen kann, ist allgemein bekannt. Doch meist bleibt die helfende Hand im Hintergrund oder nimmt vorübergehend menschliche Form an. Zum Beispiel glaubten alle Zuschauer, daß Diego Maradona bei den Weltmeisterschaften 1986 in Mexiko das Siegtor gegen England mit der Hand erzielt hatte, doch der kleine Argentinier klärte die Fans später auf: „Es war die Hand Gottes.“
Im südwestenglischen Dorchester hat man den Allmächtigen ebenfalls um direkte Hilfe gebeten. Die „Elstern“, das lokale Amateurfußballteam, waren nämlich bei ihren Heimspielen bislang atemberaubend erfolglos. So heuerten die Funktionäre am Freitag den anglikanischen Geistlichen David Fayle an. Der wollte das Stadion durch eine feierliche Zeremonie, bei der er die Bibel heftig schwenkte, von dem Fluch befreien, mit dem es der Zauberer David Green bei einem achtstündigen Ritual zur Sommersonnenwende 1992 belegt hatte. Green, ein Computerhändler aus Dorset, wollte sich damit am Herzog von Cornwall rächen. Bei dem Herzog handelt es sich um niemand anderen als Prinz Charles, den henkelohrigen Thronfolger.
Herzog Charles ließ das Stadion vor drei Jahren auf seinem Land errichten. Das war nur eins von vielen königlichen Projekten in der Region. „So weit das Auge reicht, gehört das Land hier dem Herzogtum“, erboste sich Green. „Ich möchte mal wissen, welches andere Millionenunternehmen seine Bilanzen geheimhalten darf. Ich bin aber nicht nur auf die Krone sauer, sondern ärgere mich auch über die Blödheit des britischen Volkes, das sich das gefallen läßt.“ Als Green damals das Stadion verfluchte, kam ihm der Gedanke, das Karma gleich auf sämtliche anderen herzoglichen Aktivitäten in der Gegend auszudehnen. „Poundbury, eine Wohnsiedlung mit 2.000 Häusern bei Dorchester, wird in einer Katastrophe enden“, frohlockte Green. „Prinz Charles wird sich lächerlich machen, und das Zentrum Dorchesters wird verfallen.“ Um sich für den Megafluch in Form zu bringen, hatte Green nach eigenen Angaben zunächst das computerisierte Ampelsystem in Weymouth völlig verhunzt und sich danach der Insel Portland zugewandt. „Die Werft dort ist inzwischen heruntergekommen, und der Hubschrauberstandort ist auch in Gefahr“, freute Green sich. „Ich übernehme die volle Verantwortung dafür.“
Seinen Widersacher Pfarrer Fayle tat er noch am Freitag als Stümper ab: „Das ist ein Witz, er kann den Fluch doch nicht aufheben, indem er ein paar Gebete murmelt.“ Doch der Anglikaner hatte Erfolg: Die „Elstern“ beendeten am Samstag mit einem knappen Sieg über Nuneaton ihre fatale Heimserie – ausgerechnet zur selben Zeit, als in Bristol die „anglikanische Kirche durch die Parodie einer Weihe der ersten Priestessen ermordet“ wurde (siehe S. 8), wie Fayles Kollege Francis Brown es ausdrückte. Er hatte neben der Kathedrale von Bristol eine Plakatwand gemietet, um mit Postern gegen die Ordination von Frauen zu protestieren. „In den Augen der Kirche gelten sie als Transvestiten“, sagte er. Unterdessen fragte Sue Restall, eine der „Transvestitinnen“, die wartenden Fotografen der Boulevardpresse: „Wollt Ihr ein Pin-up-Foto für eure Seite drei?“ Dann tat sie so, als ob sie sich die Soutane aufknöpfen wollte, als die Fernsehübertragung abbrach.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen