: Der Vorlauf
■ Zwischen Kritik, Sparen und Hoffen: Stipendien-Kandidaten auf Kampnagel
„Schön bunt hier“ könnte das Motto sein: Auf Kampnagel waren am Wochenende Arbeiten von 35 jungen Hamburger Künstlerinnen und Künstlern zu begutachten. Es ist die jährliche, offizielle „Ausstellung von Bewerberinnen und Bewerbern für die Arbeitsstipendien bildende Kunst“, und das Publikum darf mit sich wetten, wer denn wohl erwählt wird. Viel Foto und Video fallen auf. Darunter ein Film von Elmar Hess, in dem ein gespanntes Eheverhältnis zum Weltkrieg ausartet, eine Arbeit, die, zwischen Installation und Kino schwankend, schon ab Donnerstag im Kunstverein gezeigt wird.
Auch dieses Jahr ist Malerei wieder kaum vertreten, dafür aber in zwei sehr guten Beispielen: pastose Bilder fiktiver Biologie von Dagmar Rauwald und konstruktiv-expressive Schichtungen von Maria Hobbing. Auch Georg Silis bissige, doch eher graphische Rapporte sind in mühsamer Arbeit gemalt.
Fragen von plastischem Körper und Umraum behandeln die blaßfarbigen Negativ-Objekte von Eric Friedmann und die hermetische Skulptur von Marius Dietrick. Die Grenze zur Architektur beschreiten die geometrischen Großzeichnungen von Frank Gerritz und die in die Wand eingearbeiteten, Bilder-Kacheln von Inge Krause.
Soweit die eher traditionellen Künste. Doch mit künstlerischen Mitteln ist auch gut das Künstler-Ich in Szene zu setzen (Ilka Grüneberg), Sadomaso-Praktiken zu dokumentieren (Susanne Klein) oder eine vollkommen phantastische Wundertütenwelt zu bauen (Andy Hertel). Verbindlicher sind da schon die Arbeiten im sozialen Umraum wie die künstlerische Ethnologie von Hinrich Sachs, die Wahlkampf-Interventionen von Ralph Müller und die Spielprojekte von Jürgen Hansen, der einst einen Feuerlöscher der Kulturbehörde in eine Bombe umbaute und hier eine Schaukel installiert hat. Verschaukelt oder nur in Beton-Schuhen (Tim Thyzel) vorankommend, voller Zuversicht auf eine ungesicherte Zukunft, wie es die potemkinsche Tür mit der Aufschrift „Hab Vertrauen“ zeigt (Barbara Breyer): Künstler haben es schwer.
„Leider nichts mehr eingefallen“ ist auf dem letzten der 39 Bilder von Cheap-Artist 4000 zu lesen. Solche Witzigkeiten und die Erfahrung, daß manche sich jährlich mit identischen Projekten bewerben, führten zum Vorschlag der Kulturbehörde, aus qualitativen Gründen das Stipendium drastisch zu kürzen. Da das im Klartext heißt, es gibt zu wenig gute Künstler in dieser Stadt, war der Aufschrei groß.
Doch nach teils heftigen Gesprächen mit der „AG Bildende Kunst“ und der Auswahl-Jury einigte man sich am Wochenende, dieses Jahr noch einmal zehn Stipendien zu vergeben. Nächstes Jahr mehr davon. Solvay Carstensen
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