Der Verseuchungsgrad von US-Militärbasen in der BRD: Die giftige Last der Freundschaft
■ Nicht nur die Sowjets hinterlassen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR ein unüberschaubares Maß an Umweltverseuchung. Auch die US-Army hat in ihren deutschen Einrichtungen durch Öl, Benzin und Schmiermittel Boden und Wasser gründlich verseucht. Das geht aus einem jetzt vorliegenden internen Bericht der US-Armee hervor. Von Ausmaß und Kosten wollen die Militärs lieber nichts wissen. Und das hat seinen Grund, denn zahlen sollen nach Meinung des Pentagon die Deutschen.
VON GERD NOWAKOWSKI
Carl J. Schafer, Deputy Assistent Secretary des US-Verteidungsministeriums, war auch vor den Mitgliedern des Repräsentantenhauses nicht bereit, über eine Studie über umweltgefährdende Verseuchungen auf US-Militäreinrichtungen außerhalb der USA zu berichten. Eine Veröffentlichung „könnte unsere Beziehungen zu diesen Ländern gefährden“, bekam der Abgeordnete Mike Synar im November 1987 zur Antwort, als er nach dem Grund für die Geheimhaltung der Studie fragte. Auch heute noch ist die Studie von 1986 als vertraulich eingestuft. Daß die Sorge der US-Regierung vor allem negativen Reaktionen aus der Bundesrepublik galt — mit rund 240.000 Soldaten das zentrale Stationierungsland der US-Streitkräfte —, darf als sicher gelten.
Wie umfangreich die Verseuchungen in der Bundesrepublik sind, die in den vergangenen vierzig Jahren auf den Camps und Kasernen der amerikanischen Streitkräfte entstanden sind, ist bislang nur in Ansätzen erkennbar. Neue Informationen bestätigen jedenfalls nachdrücklich den damaligen Verdacht des Abgeordneten Synar, daß die US-Behörden in ihren Kasernen in Übersee Grundwasserverseuchungen und andere Umweltgefährdungen hartnäckig ignoriert haben. Wie aus einem jetzt vorliegenden, internen Bericht der US-Armee hervorgeht, hat eine erste umfassende Bilanz im Frühjahr 1989 rund 300 mutmaßliche Verseuchungen erfaßt — Tendenz steigend. Im Oktober 1990 erbrachte eine neuerliche Bestandsaufnahme bereits 358 verseuchte Grundstücke. Von einem Gesamtüberblick aber kann keine Rede sein. „Die Informationslage ändert sich ständig“, räumt der Bericht ein.
„Zögerliche“ Suche nach Umweltschäden
Was auf den US-Militäreinrichtungen an Gefährdungspotential vorhanden ist, läßt der Armee-Bericht hinter dürren Worten erschreckend deutlich erkennen: In der Umgebung von Kasernen, Werkstätten, militärischen Müllkippen und Manövereinrichtungen sind chlorierte Kohlenwasserstoffe, Säuren, Dekontaminationsgemische, Enteiser-Flüssigkeiten, Munitionsreste sowie Benzin, Öl und Schmierstoffe aller Art im Erdreich versickert. Die „gegenwärtig geschätzten“ Kosten für die Beseitigung der Umweltschäden betrügen rund 162 Millionen Dollar, wird sehr vorsichtig formuliert. Bei 26 Einrichtungen, so beziffert der Armee-Bericht, seien Kosten von über einer Million Dollar zu erwarten. (Siehe Kasten auf dieser Seite.)
Erfaßt ist damit aber nur ein Teil der drohenden Gefahren. Denn in dem Schreckensbericht sind nur die Liegenschaften der Landstreitkräfte, nicht aber die der Luftwaffe aufgeführt. Bei den US-Luftwaffenstützpunkten aber sieht es nicht anders aus. Auf dem Flugplatz Bitburg beispielsweise sind Chemikalien und Lösemitteln in großem Umfang in Wasserläufe gesickert. Auf der Rhein-Main-Base bei Frankfurt wurde im Erdreich eine riesige, über Jahrzehnte aufgefüllte Kerosinblase gefunden — Ergebnis undichter Treibstofftanks der USAir-Force.
Wie es auf den anderen US-Flugplätzen aussieht, ist unbekannt. Besonders eifrig bei der Bestandsaufnahme war die Fliegertruppe nicht. Die Luftwaffe, so schreibt selbst der hohe Pentagon-Beamte William H. Parker im Oktober 1988 in einem internen Bericht, sei bei der Suche nach Umweltverseuchungen bislang sehr „zögerlich“ gewesen. Ins Bild paßt, daß das US-Verteidigungsministerium gegenwärtig an private Unternehmen wie der kalifornischen Rand Corporation herangetreten ist, damit diese eine Gesamtstudie zu den Umweltsauereien der Armee und der Luftwaffe erstellen.
Welchem Problem sich die Bundesrepubik gegenübersieht, läßt sich deshalb allenfalls mittels Vergleich der bekanntgewordenen Zahlen abschätzen. Die US-Armee selbst will seit 1984 bereits 972 Millionen Mark für Reinigungsarbeiten ausgegeben haben. Seit 1987 seien zusätzlich aus einem „environmental compliance funds“ jährlich weitere 25 Millionen Dollar geflossen, vornehmlich für die Reinigung von Erdreich und Grundwasser. Damit seien wohl vor allem akuteste Schäden beseitigt worden, glauben Kritiker.
Nicht wissen ist die beste Verteidigung
Bei den Beratungen für den US- Haushalt 1989 setzten die Experten für die Beseitigung vom Umweltverschmutzungen in der Bundesrepublik 126 Millionen Dollar an, die über die nächsten fünf Jahre verteilt werden sollen. Daß diese Summe nicht ausreicht, wird auch den US- Haushaltsexperten klar gewesen sein. Kurz zuvor hatten sie nämlich intern die Kosten für die Beseitigung von Umweltschäden in der Bundesrepublik auf 580 Millionen Dollar beziffert. Angesichts des noch fehlenden Gesamtüberblicks darf getrost davon ausgegangen werden, daß auch diese Summe noch zu niedrig angesetzt ist. Im Pentagon selbst wird offenbar im Bereich von mehreren Milliarden Dollar gedacht.
Vor dem Hintergrund, daß Geld für die Beseitigung der Schäden nicht ausreichend zur Verfügung steht, macht auch die zögerliche Auflistung der Umweltverschmutzungen durch die Luftwaffe Sinn. Man könne nur Ärger mit den deutschen Behörden bekommen, wenn die feststellten, die Luftwaffe habe von einer Verschmutzung gewußt und nichts dagegen unternommen, notierte Parker die Stellungsnahme des Stabchefs der US-Luftwaffe in Europa, George Harrison. Offenkundige Schlußfolgerung: Nicht wissen sei immer noch die beste Verteidigung.
Der Grund für die geringe Bereitschaft der US-Parlamentarier, Gelder für die Reinigungsarbeiten zu bewilligen, liegt auf der Hand: Umstritten ist nämlich, wer die Kosten tragen muß. Bereits 1980 wollte die USA von der Bundesregierung zwei Milliarden Mark haben, um pauschal vorgebrachte Umweltbelastungen in den deutschen Liegenschaften zu beseitigen. Die Bundesregierung lehnte ab und hat im September 1990 erneut betont, die Finanzierung von Umweltschutzmaßnahmen sei eindeutig Sache der Amerikaner: Die Streitkräfte hätten sich bei den ihnen überlassenen Grundstücken an den Vorschriften des deutschen Umweltrechts zu orientieren.
Die Amerikaner sind da wohl immer noch anderer Meinung. Sie haben kürzlich den Vorschlag gemacht, die Reinigungsmaßnahmen über das Nato-Infrastrukturprogramm zu finanzieren — was lediglich einer Umwegschröpfung des deutschen Steuerzahlers gleichkäme. Die Bundesregierung hat bislang eine Stellungnahme zu diesem Vorschlag vermieden und lediglich zugegeben, daß es darüber gegenwärtig Verhandlungen gebe.
Amerikaner spielen auf Zeit
„Die Bundesregierung weiß überhaupt nicht, wie es auf den US-Liegenschaften aussieht und will es auch nicht wissen“, kritisiert der seit Jahren mit dem Thema befaßte Friedensforscher Olaf Achilles. Der Gründer der Arbeits- und Forschungsstelle Militär, Ökologie und Planung (MÖP) hält der Bundesregierung deshalb vor, sie betätige sich als „Handlanger für die Amerikaner bei der Schaffung eines rechtsfreien Raums“, anstatt auf die Einhaltung deutscher Umweltvorschriften zu drängen und zu überwachen. Notwendig sei die umgehende Erstellung eines Umweltgutachtens für alle Militärgelände der US-Streitkräfte, um die Altlasten vollständig zu erfassen, so Achilles, derzeit auch Bundestagskandidat der Grünen in Niedersachsen.
Die monierte Zurückhaltung der Bundesregierung kommt den Amerikanern wohl nicht ungelegen. Sie können — mit dem Nato-Truppenstatut auf ihrer Seite — auf Zeit spielen. Schadensersatzzahlungen nach der Aufgabe von US-Einrichtungen können nämlich nur dann geltend gemacht werden, wenn sie vor Abzug der Amerikaner ausgehandelt werden. Wer aber nichts weiß, kann auch nicht reklamieren. Bleibt die Bundesregierung weiterhin untätig, muß die Bevölkerung nicht nur unter der gefährlichen Hinterlassenschaft leiden, sondern deren Beseitigung auch noch aus eigener Tasche bezahlen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen