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Der Verfall von Ost-Berlin geht weiter

■ Das 25-Millionen-Programm des Bausenats bringt wenig neue Perspektiven für die Stadtentwicklung / Wohnungswesen bleibt Subventionsloch / Milliardenbeträge zur Sanierung des Bestandes erforderlich

Berlin. Zumindest für 51 Altbauten in Prenzlauer Berg und in Berlin-Mitte kam die Öffnung der Mauer gerade noch rechtzeitig: Sie werden mit Hilfe des 25-Millionen-Programms des Senats saniert. 200 bisher leerstehende Wohnungen können gerettet werden. Für einige Häuser im Scheunenviertel kam das Sanierungsprogramm in letzter Sekunde.

Die Gelder aus der Kasse von Bausenator Nagel wurden mit der Auflage vergeben, daß der Magistrat auch 25 Millionen zur Verfügung stellt, die MieterInnen 20 Prozent der Sanierungshilfe in Selbsthilfe leisten und die Mittel nicht mieterhöhend wirksam werden. Die Nutzergemeinschaften können die Häuser dann eigenständig bewirtschaften. Das Programm, das bereits im Februar geplant wurde, hat aber vor allem das Ausmaß des Verfalls vor Augen geführt. Vertreter von Senat, Magistrat und Bürgerinitiativen diskutierten am Wochenende in einer „Stadt Tor„-Veranstaltung darüber, wie der große Rest der Berliner Altstadt vor dem Verfall gerettet werden kann. Milliardenbeträge sind nötig, um den Wohnungsbestand zu sichern, allein im Bezirk Prenzlauer Berg, wo die Hälfte der rund 90.000 Wohnungen grundrenoviert werden müssen, müßten 4,3 Milliarden DM aufgewendet werden. Wo das Geld herkommen soll, weiß auch Nagels Planungsreferent Günter Fuderholz nicht, der dem Ostberliner Baustadtrat Thurmann seit letzter Woche bei der Stadtentwicklung hilft. Die Stadtkassen sind leer, der Haushalt für das zweite Halbjahr steht noch nicht. Fuderholz wartet nun auf Finanzmittel aus dem Staatsvertrag.

Auf Subventionen wird das Wohnungswesen auch weiterhin angewiesen sein. Neben dem Verfall der Altbauten ist auch der Zusammenbruch der Plattenbauten aus den siebziger Jahren nur noch eine Frage der Zeit. Selbst bei einer Verdoppelung der Mieten, die Bauminister Viehweger zum 1.1.1991 in Aussicht gestellt hat, werden die Einnahmen nicht kostendeckend sein.

Kritik an dem 25-Millionen-Programm des Senats äußerte Volker Härtig von der AL. Anstatt nach Westberliner Vorbild einzelne Projekte mit hohem Kostenaufwand komplett zu sanieren, müsse man bei möglichst vielen Häusern zunächst die Substanz sichern und Selbsthilfeaktivitäten unterstützen.

Ratlos steht Matthias Klipp (NF) vor seinen Aufgaben als neuer Stadtrat für Bau- und Wohnungswesen im Prenzlauer Berg. Angetreten, um den Verfall des Bezirks zu stoppen, sieht er die Mitsprache der Kommunen bereits wieder schwinden: Die KWV wird dem Magistrat unterstellt, die Stadtbezirksräte bleiben dann bei der Entscheidung über Sanierungsvorhaben, über neue Eigentumsformen und beim Verkauf von Häusern und Grundstücken außen vor.

ch

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