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Der Traum vom ungeteilten Bosnien

Der Teilungsplan der internationalen Bosnien-Kontaktgruppe soll nur mehr „Basis“ für weitere Verhandlungen sein / Kritik aus Sarajevo an Bosniens Premierminister Haris Silajdžić  ■ Von Karl Gersuny

Wien (taz) – Bosniens Premierminister Haris Silajdžić plädiert für Zensur – in gewissen Situationen. „Ansonsten gerät die Regierung in Mißkredit“, verteidigt sich der Politiker, „denn nicht jede Meinung ist in dieser Kriegszeit angebracht.“ Silajdžić weiß, wovon er spricht. Als zum Jahresbeginn das Parlament zusammentrat, da gab es von den Abgeordneten scharfe Kritik an der Politik des Westens gegenüber Bosnien. Sie forderten den Premierminister auf, sich den „wahren Freunden in Ankara, Teheran und Kuala Lumpur zuzuwenden“.

Es ist vor allem die Direktorin des Staatsfernsehens, Amila Omersoftić, die sich offen gegen den politischen Kurs von Silajdžić stellt und den derzeit ausgehandelten Waffenstillstand als „fatalen Fehler“ kritisiert. Ihre Begründung: Die serbischen Aggressoren hätten durch ihren Schachzug, den amerikanischen Ex-Präsidenten Jimmy Carter für den Bosnienkonflikt einzuspannen, ihre politische Isolation auf der internationalen Politbühne überwunden. Die Serben würden nun erneut ihre Friedensbedingungen diktieren, und ihre Forderung nach einem größeren Anteil an der Kriegsbeute werde vom Westen schon stillschweigend gebilligt. Dies hätte Silajdžić verhindern können, hätte er auf den Rat der Militärs gehört und den Kampf „bis zur Befreiung“ fortgesetzt.

Gegen diese Kritik hat die bosnische Regierung einen schweren Stand. Bei einem Besuch des stellvertretenden US-Außenministers am Montag in Sarajevo sickerte durch, daß die Kontaktgruppe ihren Bosnien-Teilungsplan – 51 Prozent für Kroaten und Bosniaken, 49 Prozent für die Serben – lediglich als „Basis“ für weiterführende Verhandlungen ansieht. In Sarajevo befürchtet man nun, daß Serbenführer Karadžić möglicherweise 64 Prozent des Territoriums zugesprochen bekommt und seine Mörderbanden gerade noch knapp 10 Prozent ihrer Eroberungen abtreten müssen.

Karadžić prahlt denn auch: Es werde nicht mehr lange dauern, bis Sarajevo geteilt werde und die ostbosnischen Enklaven Srebrenica, Goražde und Žepa seinem Reich zugesprochen würden. Und Serbengeneral Ratko Mladić stimmte seine Männer zum orthodoxen Weihnachtsfest auf einen „Endkampf“ ein, sollte Sarajevo nicht von den „unrealistischen Träumereien“ eines souveränen Bosniens in seinen international verbrieften Grenzen Abstand nehmen. Keine Vermittler könnten seine Armee, so Mladić, dann an seinem Vorhaben hindern.

Aber auch die kroatische Seite zeigt sich in diesen Tagen kämpferisch. General Janko Bobetko fordert die „Wiederherstellung der kroatischen Souveranität und eine „Zerschlagung des serbischen Pseudostaates Krajina“. Über die Grenzen nach Bosnien will er seine Armee marschieren lassen, sollte dort kein „gerechter Friede“ gefunden werden. „Wir müssen die bosnischen Kroaten schützen“, sagt der General, „und den Muslimen Beistand leisten, daß auch sie ihre Kriegsziele verwirklichen können.“ Für die Militärs aller Seiten steht fest, wenn der Schnee wieder taut, geht der Kampf weiter – spätestens aber im Frühjahr. Gegen diese verhärteten Positionen angehen, das schwor sich Haris Silajdžić, werde er zumindest in seinen eigenen Reihen. Doch auf verbaler Ebene erlitt der bosnische Regierungschef Anfang der Woche eine Niederlage: Seine eigene Partei, die „Demokratische Aktion Bosniens“, rügte sein Verhalten, das staatliche Fernsehen auf moderaten Kurs zu bringen. Die Partei stellte sich hinter Intendantin Amila Omersoftić und forderte „schonungslose Kritik am zynischen Kurs westlicher Regierungen, die kriegsgebeutelte Republik sich selbst zu überlassen“.

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