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■ Der Streit um das junggrüne „Start 21“-Papier ist kein Flügelkampf, sondern ein grüner GenerationenkonfliktJenseits von links und rechts

Gegen Politik als Ritual haben die Junggrünen um Mathias Wagner und Matthias Berninger ihr „Start 21“-Papier geschrieben – und haben doch nichts als Rituale damit ausgelöst. Ludger Vollmer schäumt, Daniel Cohn-Bendit freut sich, und Nicht-Realo-Junggrüne verfassen eilends ein Gegenpapier, in dem sie den „Start“ als schlimm realpolitisch entlarven.

An dem eigentlichen Problem geht die Debatte bislang vorbei. Und das lautet: Bündnis 90/Die Grünen haben einen Generationenkonflikt. Den haben andere Parteien zwar auch. Aber für die junge Partei der Grünen tritt er heute einfach zum ersten Mal massiv auf. Die gealterten Revoluzzer sind nicht darauf eingestellt, daß sie plötzlich einer „Jugend“ gegenüberstehen, zu der sie nicht mehr gehören.

Das in „Start 21“ gewählte Etikett der 68er ist dabei ungenau. Es sind die – ungefähr – 40- bis 50jährigen, die in dem Jahrzehnt vom „Summer of Love“ '67 bis zum Deutschen Herbst '77 sozialisiert wurden, die heute nicht nur innerhalb der Grünen ein Kartell bilden. Sie bilden es nicht aus Bösartigkeit, sondern aus der Logik ihres Marsches durch die Institutionen, aber ein Kartell ist es trotzdem. Dieses grüne Generationenproblem ist von politischer Relevanz, weil gegen die Erstarrung, gegen die Vergreisung der Ideen in der Gesellschaft schlecht kämpfen kann, wer als Partei selbst erstarrt und vergreist. Und übrigens sinken mittlerweile bei den JungwählerInnen die Umfragewerte der Grünen.

Wo sind die die neuen, ganz anderen Projekte der Junggrünen? – so wird angesichts des „Start 21“-Papiers gefragt. Aber die Frage ist falsch gestellt. Die Jungpolitiker der Neunziger wollen gar nicht das Rad neu erfinden, und von den ganz großen Entwürfen halten sie wenig. Sie greifen gerne vorhandene Vorschläge auf, stellen aber Prioritäten her, wenn sie etwa die Staatsverschuldung als Generationenverrat definieren.

Dieses re-konstruktive politische Vorgehen kann man „realpolitisch“ nennen, „postmodern“ – oder eben „junggrün“.

Es geht einher mit deutlichen Differenzen des Stils der Jüngeren gegenüber den Älteren. Stil ist dabei keine Frage des Dekors, sondern eine des Selbstverständnisses, und Stil impliziert stets auch Wirkungsstrategien. „Start 21“ ist da jung, wo es spielerisch und ironisch das Kartell der „68er“ verhandelt; und es sieht da ziemlich alt aus, wo es angestrengt ein kleines Regierungsprogramm aufzustellen versucht.

Der innerparteiliche Umgangsstil bei den Grünen ist schlecht. So wird beispielsweise in Hamburg in der offiziellen Broschüre zur Vorstellung der Wahlliste die einzige Kandidatin, die unter 30 ist, als „unser Nesthäkchen“ tituliert. Oder: Ludger Vollmer schimpfte kürzlich im Zeit-Magazin über die Bonner Pizza-Connection. Erstens ist er dagegen, daß junge Abgeordnete von Bündnisgrünen und CDU sich beim Italiener zur Debatte treffen. Und zweitens dürfe diese Debatte nur nach Spielen der Fußballmannschaft des Bundestages unter der Dusche stattfinden.

Frauen kommen da natürlich nicht vor. Und wer als junggrüner Mann nicht auf Altherren-Kicker und Umkleideraum-Atmosphäre steht, ist genauso draußen.

Nochmals: Bei diesen Spannungen zwischen den Generationen innerhalb der Grünen handelt es sich in der Konsequenz um ein politisches Problem. Die heutige Führungsschicht der Grünen ist wesentlich geprägt durch den Kampf um die Normalisierung der Partei: weg von der „Anti-Partei Partei“ (Petra Kelly) hin zur Koalitionsehrbarkeit. Deshalb sehen sie aber vielleicht weniger als die Junggrünen, für die die „Normalität“ der Grünen Normalität ist, welche Chancen darin liegen, daß ihre Partei relativ klein und „un- solide“ ist.

Während die Altparteien aufgrund ihres strukturellen Ballastes – zu befriedigende Klientel, ideologische Traditionen – als Supertanker über neue Probleme hinwegwalzen können und müssen, können und müssen die Grünen in ihrem kleinen Segelboot flexibel auf gesellschaftliche Strömungen reagieren.

Ein Beispiel: Die Fachhochschulen für öffentliche Verwaltung sind bundesweit Teil der jeweiligen Innenministerien. Wer dort studiert, erhält ein Beamtenanwärtergehalt, und was er studiert, bestimmt die Behörde. In Hamburg haben junge HochschulpolitikerInnen vorgeschlagen, diese FHÖV in eine normale Hochschule umzuwandeln. Einerseits um die eingesparten Gehälter über Forschungspools in Promotionsstellen zu überführen, andererseits um die Ausbildung für neue Inhalte zu öffnen. Die SPD will alles lassen, wie es ist, weil sie in Hamburg mit dem Apparat der Innenbehörde in Symbiose lebt – böse Zungen nennen das Filz. Und die CDU mag den obrigkeitsstaatlichen Einfluß nicht aufgeben, die Lehrinhalte bestimmen zu dürfen. Die Grünen hingegen können, einerseits die Strömung der wahrgenommenen Finanzknappheit nutzend, andererseits die des Mißtrauens gegen die SPD-Klientel in den Behörden, Entstaatlichung fordern.

Der Aufbau eigener Klientelen und das Festklammern an ideologischen Traditionen – das sind altmodische Strategien. Zusammen mit einer gewissen Konfliktscheu, dem Alles-Integrieren-Wollen der grünen Polit-Profis, drohen diese alten Strategien, den Ballast der Grünen zu erhöhen. Wenn „Start 21“ als Realo-Papier im grünen Flügelstreit weggeordnet wird, dann dient das der Konfliktvermeidung: Der Konflikt ist der über das Generationenproblem, der tendenziell quer zum Flügelstreit läuft.

Natürlich gibt es auch unter den Junggrünen politische Differenzen, die große Meinungseinheit nur aufgrund der ähnlichen Sozialisation und biographischen Situation wäre auch nachgerade unpolitisch. Aber: Die Flügel sind oft weniger politische Untergliederungen der Partei, als vielmehr biographische Zusammenhänge. Es sind oft weniger rationale Komplexitäts-Reduzierungen als vielmehr Kumpel-Kungel-Treffs. Die gemeinsam groß gewordenen Grünen halten sich gegenseitig Reden.

Vielleicht taugt die grüne Generationenfrage sogar zur Einigung der Flügel. Als in Hamburg die Grüne Jugendinitiative das Wahlrecht ab 16 forderte, redeten in schönster Einigkeit Spitzenleute beider Flügel dagegen. Und bei der Aufstellung der KandidantInnenliste für die Bürgerschaftswahl fiel das Jugendthema Hochschulpolitik, obwohl in Sonntagsreden flügelübergreifend gewürdigt, schlicht hinten runter. Familienpolitik war wichtiger. Jonas Viering

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