: Der Strahlentod kommt schneller als das Geld
■ Senator Hajen und Patientenanwalt Funke streiten um Hilfe für UKE-Strahlen-Opfer
„Unbürokratische Hilfe und schnelle Entschädigung“ versprach Senator Leonard Hajen den Opfern des UKE-Strahlenskandals. Doch was das heißt, daüber streiten Senator und Patientenanwalt Wilhelm Funke. Während Hajen betont: „Wir sind im Regulierungs-Verfahren schon jetzt zwei Jahre schneller als beim Bernbeck-Skandal“, wirft Patienten-Anwalt Wilhelm Funke Hajen vor, „alle Vorschläge zur Verbesserung eines außergerichtlichen Überprüfungsverfahrens in den Wind geschlagen“ zu haben.
Die Fakten: Bisher sind dem Wissenschaftssenator 265 Patienten des suspendierten UKE-Chef-Radiologen Klaus-Henning Hübener bekannt, bei denen er „nicht ausschließen“ mag, daß es aufgrund zu hoher Bestrahlungsdosen zu schweren Gesundheitsschäden gekommen ist. Besonders bei 132 Darmkrebs- und Prostata-Patienten müsse man laut Behörden-Rechtsanwalt Henning Hekscher „von Schädigungen durch die Strahlenbehandlung ausgehen“.
Doch nur 44 Personen, also jedes dritte dieser Strahlen-Opfer, erhielten bis heute von der Behörde als Schmerzensgeld „Abschlagzahlungen“ zwischen 15.000 und 210.000 Mark. Insgesamt 3,1 Millionen Mark. Und das, obwohl laut Funke, „jeden Monat drei bis vier meiner Mandanten sterben, ohne zu ihrem Recht gekommen zu sein“.
„Wir brauchen fast immer Einzelfall-Prüfungen“, rechtfertigt Behörden-Advokat Hekscher die Hängepartie, denn „kein Fall ist mit dem anderen vergleichbar“. Fast alle der 88 bislang nicht entschädigten Darm- und Prostatakrebspatienten, die unter Hübeners Regie bestrahlt wurden, seien derzeit „Gegenstand ärztlicher Gutachten“. Die aber brauchten Zeit. Hekscher: „Es gibt keinen Patienten, der nachweislich geschädigt wurde und noch kein Geld erhalten hat“.
Dem aber widerspricht Funke: „Es gibt Fälle, in welchen wir bereits vor über einem halben Jahr Gutachten vorgelegt haben, die echte Behandlungsfehler feststellen. Selbst hier ist bislang keine Abschlagszahlung getätigt worden“. Darüber hinaus fordert Hübener die Einrichtung einer neutralen Vermittlungsinstanz, die in Streitfällen über die Entschädigungen entscheidet. Hekscher hingegen betont: „Ein Vermittler kommt nur zum Zuge, wenn wir Schadensersatzforderungen ablehnen“. Das aber sei bislang „in keinem einzigen Fall“ geschehen.
Doch nicht nur die Entschädigungs-Regulierung bei den Hübener-Patienten kommt im Schneckentempo voran. Bereits seit 1992 ermittelt auch die Hamburger Staatsanwaltschaft gegen den ehemaligen Eppendorfer Strahlenchef. Der Radiolage soll Bestrahlungen mehrfach abgerechnet und für die stationäre Behandlung von „Phantompatienten“ kassiert haben, die allenfalls ambulant betreut wurden. Ein Ende der Ermittlungen ist nicht in Sicht. Oberstaatsanwalt Rüdiger Bagger: „Die Vernehmungen von Ärzten und Patienten dauern an“.
Marco Carini
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