piwik no script img

Archiv-Artikel

Der Steuermann geht von Bord

Zehn Jahre lang liefen alle Fäden bei Reinhard Hoffmann zusammen. Mit Henning Scherf ist er nun abgetreten. Der Versuch, Bremen zu sanieren, sei gescheitert, ruft ein gewisser Sarrazin zum Abschied

Zehn Jahre lang war Reinhard Hoffmann „Chef der Senatskanzlei“ und der Steuermann hinter Henning Scherf. Also auch verantwortlich für die Finanzverhandlungen mit Bund und Ländern. Die taz wollte von dem Ruheständler wissen, wie es weitergehen kann mit Bremen.

taz: Wenn der Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin erklärt, dass die Bremer Sanierung gescheitert ist, heißt das ja auch: Hoffmann hat es nicht hingekriegt. Trifft Sie das?

Reinhard Hoffmann: Persönlich trifft mich das nicht in dem Sinne, dass ich mich gekränkt fühle. Man darf aber eine solche Äußerung nicht unterschätzen. Der Rückblick auf die bremische Sanierungspolitik beinhaltet auch Selbstkritik. Die Kritik von Sarrazin greift aber zu kurz. Ich war am Anfang Wissenschaftsstaatsrat – wir ernten jetzt, nach 30 Jahren, die Früchte der Wissenschaftspolitik der 70er Jahre. Die Sanierungspolitik der 90er Jahre war auch auf solche langfristigen Infrastruktur-Investitionen ausgerichtet.

Langfristige Hoffnungen sind eine schöne Sache. Hat Bremen so viel Zeit?

Unsere jetzigen Investitionen sollen helfen, die Wirtschaftskraft zu stärken, und damit die Gesamtsanierung unterstützen. Aber alleine würde das nicht ausreichen. Meine These aber ist: Wenn es keine ausreichenden öffentlichen Infrastruktur-Investitionen gibt, wird es nie einen Sanierungsabschluss geben. Die Wirtschaftskraft ist die Basis.

Jetzt sagen die anderen: Mehr Geld gibt es nicht – zehn Jahre Sanierungshilfe und Schluss.

Klar ist, dass es nach der jetzigen Diskussion nicht noch einmal eine Sanierungshilfe geben wird. Wir wollen unsere Klage deutlich konzentrieren auf Entschuldung. Das reicht aber natürlich nicht. Ich finde das goldrichtig, was unser Gutachter Helmut Seitz sagt, bis auf die letzten zwei Sätze seines Papiers, die ich als eine resignative Würdigung des Politikbetriebes verstehe.

Was sagt er?

Drei Dinge sind erforderlich: Entschuldung, stärkere Eigenanstrengungen und eine dauerhafte Strukturreform. Die extreme Benachteiligung Bremens liegt in der großen Differenz zwischen Wirtschafts- und Finanzkraft. Das ist der Fehler in der aufgabengerechten Finanzverteilung im Bund. Hamburg und Berlin stehen ganz anders da.

Haben die Vertreter der anderen Länder, mit denen Sie ja oft verhandelt haben, irgendwelche Neigungen, zu sagen: Das Bremer Problem ist ganz besonders, die Summen sind klein – wir übernehmen das?

Die sagen: Kommt gar nicht in Frage, warum auch. Das ist nachher die Frage von Verhandlungen, auf die sich die Ministerpräsidenten in Aachen ja verständigt haben, und von Bündnissen.

Welche Bündnisse wären denn möglich? Die Stadtstaaten laufen auseinander, die A-Länder warfen Ihnen zu viel Nähe zur CSU vor.

Bündnisse sind immer eine Frage der Interessenkonstellationen. Der Osten kann nicht einmal bis 2019 mit der bisherigen Finanzverteilung leben...

Bremen auch nicht.

Bremen auch nicht. Vielleicht könnten wir auch aus der Singularität der Situation Vorteile ziehen. Der Konstruktionsfehler der Finanzverteilung in Bezug auf Bremen ließe sich korrigieren, ohne das System insgesamt in Frage zu stellen.

Ihr Nachfolger als Chef der Senatskanzlei, Hubert Schulte, ist in einer schwierigen Situation. Der Berliner Finanzsenator, dem er bis vor zwei Wochen gedient hat, gibt seinem neuen Dienstherren öffentliche Ohrfeigen.

So etwas passiert bei Funktionswechseln. Ich denke, der Kollege Schulte hat sich das sehr gut überlegt, als er nach Bremen gewechselt ist. Das andere da feixen, gehört dazu.Interview: Klaus Wolschner