Der Richter und sein Treiber

Der in der SPD-Mitgliederbefragung unterlegene Willi Lemke gibt sich auf dem Krönungsparteitag für seinen neuen Chef Jens Böhrnsen kämpferisch

bremen taz ■ Sie haben beide einen Blick für Fotografen. Noch bevor der Landesparteitag der SPD am Mittwochabend im World Trade Center beginnt, schütteln die beiden Kontrahenten um das Amt des Präsidenten des Senats einander die Hände, halten kurzen Small-talk, Jens Böhrnsen klopft Willi Lemke sogar auf die Schulter. Einträchtig formieren sie sich um den scheidenden Bürgermeister Henning Scherf. „Gemeinsam“ ist das Wort des Abends, in den Reden von Parteichef Carsten Sieling, Noch-Fraktionschef Jens Böhrnsen und Bildungssenator Willi Lemke kommt der Begriff ein dutzend Mal vor. Gestärkt sei die Partei durch die Mitgliederbefragung, den Schwung müsse man mitnehmen, für die neuen Aufgaben in der Regierung.

Jens Böhrnsen hält eine kurzweilige, traditionelle Rede. Dafür, dass er den AWD-Dome noch Stadthalle nennt, bekommt er Sonderapplaus. Die Genossen wollen manchmal, dass alles so ist wie früher. „Ihr erwartet sicher nicht, dass ich hier ein Regierungsprogramm vorstelle“, sagt Böhrnsen und verliert sich in Allgemeinplätzen, fordert Solidarität und Geschlossenheit. „Ich verspreche, ich werde mich der SPD zur Diskussion stellen“, sagt er, und: „Ich möchte der Bürgermeister für alle Bremer sein. Aber ich komme aus eurer Mitte und ich verspreche: Das werde ich nie vergessen.“ Das kommt an bei den Delegierten, Henning Scherf hat solche Aussagen lang vermissen lassen – die Krönungsmesse kann beginnen.

Doch plötzlich will doch noch einer was sagen, bevor Jens Böhrnsen mit 172 von 176 Stimmen zum Bürgermeisterkandidaten gewählt wird: der zuvor von allen über den Klee gelobte und zur weiteren aktiven Mitarbeit aufgeforderte Bildungssenator. Er redet halb so lang wie Böhrnsen, bekommt auch nicht so viel Applaus – und vielleicht will mancher seine Wort an diesem Tag nicht hören. Lemke ist kämpferisch und schaut immer wieder zu Böhrnsen hinunter. Von „Umsteuerung“ in der Koalition redet er. „Du hast gesagt, Schluss mit der Harmoniesoße“, sagt Lemke. Und dass man der CDU „Dampf machen“ müsse. Unruhe im Saal. Böhrnsen hat nur davon gesprochen, dass der Haushalt des Wirtschaftsressorts nicht unangetastet bleibe. Dass man über öffentliche Investitionen reden, aber auch, dass die große Koalition neue Kraft finden müsse.

Gemeinsam solle man spielen, na klar, sagt Lemke. Unter einem neuen Kapitän Böhrnsen. „Vielleicht kann ich auch das eine oder andere Tor erzielen“, meint der Bildungssenator. Doch Lemke könnte noch eine andere Rolle spielen, die des Balltreibers, der manchmal unbarmherzig dazwischen grätscht. So lange er dabei nicht die Beine des eigenen Mannes trifft, kann es Mannschaftskapitän Böhrnsen recht sein. ky