■ Der Reaktor Garching ist eine außenpolitische Provokation: Grundstein des Anstoßes
Eine Klarstellung vorweg: Der Forschungsreaktor München II ist vieles nicht, was ihm von seinen Verfechtern und Kritikern unterstellt wird. Er ist nicht das erste Atomkraftwerk, das in Deutschland nach Tschernobyl errichtet wird, sondern ein nukleares Forschungsgerät mit einer zweihundertmal kleineren Leistung. Erst recht ist er kein aufwendig getarnter Versuch, dieses Land dem exklusiven Club der Atomwaffenbesitzer näherzubringen. Wer solches behauptet, liefert den Befürwortern der Anlage unfreiwillig die Munition für ihre Ablenkungsmanöver.
Das Garchinger Experimentiergerät – genauer: der geplante Einsatz atomwaffentauglichen Urans – ist vielmehr ein Affront gegen 20jährige internationale Anstrengungen, die Weiterverbreitung militärischer Atomtechnik ein bißchen schwieriger zu machen. Eine außenpolitische Provokation, geboren aus der Eitelkeit einer handvoll Professoren, denen es nicht ausreicht, eine kraftvolle Neutronenquelle ihr eigen zu nennen. Sie wollen Weltmeister sein – Weltmeister bezüglich einer reaktorphysikalischen Kenngröße (dem Quotienten aus Neutronenfluß und thermischer Leistung), deren Bedeutung fast niemand versteht und, was schwerer wiegt, die für die spätere wissenschaftliche Nutzung des Geräts völlig unerheblich ist. Weil die Planung neu hätte aufgerollt werden müssen, blockte die TU München, flankiert von mäßig informierten Münchner und Bonner Politikern, alle alternativen Konzeptvorschläge aus dem In- und Ausland rigoros ab.
Das Kernargument der internationalen Abrüstungsexperten, die nach Garching die Renaissance des zivilen Handels mit waffentauglichem Uran fürchten, ist ja keineswegs akademischer Natur: Die Bombenprogramme in Indien, Südafrika, Israel und schließlich im Irak Saddam Husseins waren allesamt nur möglich, weil heimlich Uran aus Forschungsreaktoren abgezweigt werden konnte.
Die „Ewiggestrigen“, die der Münchner Kultusminister Hans Zehetmair unter den Reaktorgegnern ausmacht, sind in Wirklichkeit diejenigen, die den fast schon eingeschlafenen Urankreislauf mutwillig wieder in Gang setzen. Im übrigen gilt: Ein Grundstein ist noch kein Reaktor. Der internationale Druck gegen den Garchinger Tabubruch wird wachsen, ebenso der Preis für den Meiler. Beides zusammen könnte den gestern so fröhlichen Professoren noch ein böses Erwachen bescheren. Gerd Rosenkranz
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