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Der Prediger in der Kulturwüste

■ Gespräch mit Wulf Herzogenrath, dem neuen Direktor der Kunsthalle: Bilder zeigen statt verkaufen

Ab 1. September kommt Wulf Herzogenrath als neuer Direktor an die Bremer Kunsthalle. Aus Berlin und Köln bringt er eine Menge Erfahrung mit – durch experimentierfreudige, bisweilen geistreich-witzige Ausstellungsideen, aber auch durch den Umgang mit den Unwägbarkeiten des Kulturverwaltungsapparats. Die Erwartungen an Herzogenrath sind in dieser Hinsicht nicht klein. Der Direktor soll die marode Kunsthalle sanieren, die Besucher zurückgewinnen und ohne Geld schöne Kunstausstellungen bieten – zu alledem kommt nun noch der Streit über eine mögliche Kunsthallen-GmbH und über den Bilderverkauf durch den Kunstverein. Im Gespräch erklärte Herzogenrath, warum er es dennoch ganz ruhig angehen lassen will.

taz: Das Haus ist renovierungsbedürftig, das Magazin voll. Da könnte man natürlich auf die Idee kommen: Warum nicht noch gleich ein paar Bilder versilbern, um die Sanierung zu bezahlen?

Herzogenrath: Ein Museum ist dafür da, daß es Kunstwerke sammelt, bewahrt und mehrt. Daß ein Museum etwas verkauft – abgesehen von Doubletten – , kann nur im äußersten Notfall geschehen. Nun gab es hier den Sonderfall, daß die Kunsthalle zu ihrer Entschuldung einige Bilder hat verkaufen müssen. Der Kunstverein hat sich entschlossen, das notwendige Geld für die Sanierung bei den Bürgern dieser Stadt zu sammeln, und zwar bei einer großen Breite von Bürgern. Ich denke, das ist der ideale Weg dorthin.

Wie will man all diese Leute denn motivieren? In den letzten drei Jahren hat die Kunsthalle doch zwei Drittel ihrer Besucher verloren.

Es wird ab Ende des Jahres, vielleicht schon ab der großen Toulouse-Lautrec-Ausstellung im Oktober, eine ganz neue Aktivität in diesem Museum geben können. In der nächsten Woche werden zwei Kustoden-Stellen ausgeschrieben; wir sind im Gespräch mit einem Architekten, um den Beckmann-Raum wieder heller und schöner herzurichten – um einfach mal einen Akzent zu setzen und zu zeigen, daß der Museumsbesuch auch wieder Spaß machen kann, daß vor allem die Qualität unserer Stücke wieder erlebt werden kann.

Und das geht nur, wenn man die Werke beisammenhält.

Wenn man sie beisammenhält, wenn man sie gut präsentiert und aus dem Museum heraus etwas Lebendiges schafft.

Dazu gibt es ja auch von Seiten des Kulturressorts eine ganze Reihe Ideen, zuletzt die einer GmbH-Gründung für die Kunsthalle. Können Sie sich vorstellen, als GmbH-Geschäftsführer das Museum zu leiten?

Vom Inhalt her kann ich all das unterschreiben, was der Senat als Begründung für diese GmbH-Idee auflistet. Daß wir bürgernah und effizient arbeiten, daß wir große, wichtige Ausstellungen akzentuieren sollen – nur: In der gesamten Bundesrepublik gibt es kein Museum, das als GmbH geführt wird, und zwar aus gutem Grund. Denn ein Museum hat nun mal die große Aufgabe, die Werke für die Ewigkeit zu bewahren, anders als ein Ausstellungshaus, anders als ein Theater. Bei einem städtischen Zuschuß von 1,8 Millionen Mark, der gerade mal den Personalbedarf deckt, ist ja gar keine Verfügungsmasse mehr da. Der Vorteil einer GmbH, die Etats in Raum und Zeit zu verschieben, fällt also weg. Wenn ich bei Null bin, nützt es mir doch nichts, wohin ich diese Null verschiebe. Was mich eher interessiert ist die Frage nach einer Ausstellungs-GmbH, die dann ausschließlich dafür zuständig wäre; da warten wir auf konkrete Vorschläge aus dem Kultur-Ressort.

Das Bremer Theater scheint als GmbH doch ganz zufrieden mit der Möglichkeit, mit einem festen 5-Jahres-Etat seine Veranstaltungen planen zu können. Sowas macht für die Kunst keinen Sinn?

Im Prinzip schon – wenn wir einen Etat hätten wie vergleichbare Häuser. Das Folkwang-Museum in Essen, einer sicherlich nicht reicheren Stadt als Bremen, hat einen städtischen Zuschuß von 12 Millionen Mark. Dort überlegen die Kollegen: Wie können wir diese Flexibilität einer GmbH für uns nutzen? Und selbst dort will man die GmbH-Idee nur auf die Ausstellungsorganisation beziehen.

Welchen Vorteil hätte sowas für Bremen?

Dann hätten wir wenigstens erst einmal einen Topf, aus dem man Ausstellungen finanzieren könnte.

Wer soll den bezahlen?

Den müßte der Senat stellen.

Also zusätzlich zum bisherigen Beitrag.

Ja, das müßte zusätzlich da sein. Ich bedaure es sehr, daß diese Diskussion jetzt in dieser Übergangszeit aufbricht. Mir stellt sich dieser Streit so da, als ob da zwei nackte Männer sind, die sich auch noch gegenseitig in die Tasche greifen wollen. Man muß doch aber sehen, wie wir aus dieser Wüste, in der wir uns kulturell bewegen, wieder gemeinsam zu einer Oase hinkommen. Kunstverein und Kulturressort sollten sich jetzt viel eher Gedanken über längerfristige Projekte machen. Wie man zum Beispiel diese ideale Quadriga aus Gerhard-Marcks-Haus, Paula-Modersohn-Becker-Haus, Weserburg und Kunsthalle, die ja eine klare Aufgabenteilung besitzen, mit einer Spitzenförderung besser darstellen könnte.

Mit welcher Art von Ausstellungen wollen Sie die Bremer denn wieder zurück in die Kunsthalle bekommen?

Ich denke, daß die Leute erst einmal wieder zurück ins Museum müssen, und dann wird auch unbetritten sein, daß wir die Nummer Eins in Bremen und in einer weiten Region sind. Die Toulouse-Lautrec-Ausstellung ist ja auch eine Bestands-Ausstellung; mit dem etwas witzigen Titel „Pariser Nächte“ wollen wir auch einen populären Zugang zu dieser Kunst ermöglichen. Zweitens wollen wir Akzente aus der eigenen Sammlung setzen, indem wir die Dauerausstellung etwas anders organisieren. Aber erst nach der Sanierung können wir da wirklich große, neue Akzente setzen.

Als Direktor des Kölnischen Kunstvereins haben Sie sich ja eher einen Namen mit experimenteller zeitgenössischer Kunst gemacht. Wollen Sie sowas auch den Bremern bieten?

Ja, so eine Labor-Ecke soll es auf jeden Fall geben. Experimentelle Ansätze nehme ich gern auf, wenn sie auch etwas mit Bremen zu tun haben. Ich sage nur mal das Stichwort John Cage, der durch die Arbeit von Hans Otte und die Musica Nova hier sehr stark zuhause war. Cage ist für mich eine der fünf Figuren, die in diesem Jahrhundert für die Kunst wichtig waren. In diesem Feld kann die Kunsthalle schon einige Akzente setzen. Und auch das Thema Fotografie will ich weiterführen. Dafür gibt es in Bremen erstaunlicherweise ja derzeit keinen richtigen Ort. Mit unserer grafischen Sammlung sind wir im Papierbereich ja sehr stark. Da sollten wir mit Künstlern und Sammlern eng zusammenarbeiten. Ein Beispiel für eine Fotoausstellung gibt es schon: Die Ausstellung nach Toulouse-Lautrec wird dem Fotografen-Ehepaar Blume gewidmet sein. Und das ist wahrscheinlich die einfache Antwort auf Ihre Frage: Die Ausstellung ist aktuell, es ist Fotografie, es ist trotzdem bildende Kunst – und hoffentlich ist es auch populär. Fragen: tom

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