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Der Praktiker

Beiläufigkeit ins Symbol überführt: G+J widmet dem Fotojournalisten Robert Lebeck eine Ausstellung zum 70.  ■ Von Hajo Schiff

Schon vier Monate nachdem er seine erste Kamera erhielt, konnte Robert Lebeck eines seiner Fotos auf der Titelseite einer Zeitung wiedersehen. Das war 1952 in wirtschaftswunderlichen Zeiten, und das Bild war von Konrad Adenauer. Zehn Jahre später zählte der umtriebige Fotograf zur internationalen Spitzengruppe des Bildjournalismus, seine Bilder wurden bereits museal geschätzt und waren auch im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zu sehen. Schon bevor er 1966 für den Stern zu arbeiten begann, war es ihm gelungen, die Beiläufigkeit alltäglicher Ereignisse in symbolische Bilder zu überführen: Bei den Unabhängigkeitsfeiern des ehemals belgischen Kongo besaß er das Gespür für den Augenblick und die Geistesgegenwart, abzudrücken, als dem im offenen Wagen paradierenden König Baudouin der Degen entwendet wurde. Ein im Moment verdichtetes Bildzeichen der Entkolonialisierung war entstanden.

Es ist genau das, was eine journalistische Illustration zur Fotokunst macht: den Moment einzufrieren, der wie bei einer antiken Plastik den Kulminationspunkt einer Handlung oder eines komplexen Zusammenhanges ausmacht. Durch die so erreichte Stillstellung des Zeitlaufs wird der Moment mit Dauer aufgeladen. Um den Preis symbolischen Tötens kann das Überleben gesichert werden. Ein Foto wird geschossen: Nicht grundlos kommen die Wörter der Fotografie aus der Sprache der Jagd.

Doch Robert Lebeck selbst philosophiert nicht über das Wesen der Bilderzeugung. Er ist durch und durch Praktiker. Medienkritik würde auch schlecht zu seinem immer noch platzgreifenden Charme passen. Auch wenn er viel jünger aussieht: Am 21. März dieses Jahres wird Robert Lebeck 70 Jahre alt. Zu diesem Anlaß hat der Stern ihm eine Ausstellung und einen Fotoband seiner Reihe Portfolio spendiert. In 240 Beispielen wird sein Werk gezeigt, das letzte Titelbild dabei ist vom vorigen Jahr: ein Close-up von Gerhard Schröder.

Bis heute ist Robert Lebeck überzeugter Bildjournalist, der primär für das Medium Zeitschrift denkt. Und so stören ihn auch redaktionelle Eingriffe kaum. Befragt, ob denn die digitalen Manipulationsmöglichkeiten seinen Beruf nicht gänzlich verändern, schwärmt er erst einmal von den heutigen Möglichkeiten, seine Publikationen allein durch elektronische Bild-übertragung aus seinem Haus in einem kleinen französischen Dorf erledigen zu können. „Und manipuliert wurde früher auch. Bei meiner Reportage über die Beerdigung von Robert Kennedy wurde eine Person am Sarg hinzugefügt, und das Bild von Jackie Kennedy und Lee Radziwill wurde gekontert, da man es als verkehrt empfand, daß die Schwester der Präsidentenwitwe ihre Armbanduhr am rechten Handgelenk trug.“

Wichtig ist ihm mehr die Art, wie man zu Bildern kommt: „So wenig wie möglich inszenieren, bei Porträts vielleicht einige Rahmenbedingungen setzen.“ Und bei seinen intensiven Porträts von Politikern und vor allem Künstlern sind dies mitunter geradezu freundschaftliche Verhältnisse zu den Abgebildeten. Zu sehen bei der von Intimität gekennzeichneten Photoserie von Romy Schneider.

Weit davon entfernt, nur seinen Ruhm zu verwalten, ist Robert Lebeck weiter aktiv – nicht nur als Bilderzeuger. Nachdem er seine 11.000 Bilder umfassende Sammlung historischer Fotos bereits an ein Museum abgegeben hat, türmen sich nun in seinem Haus die Berge einer Sammlung internationaler illustrierter Magazine.

Ausstellung „The Mystery of Life“, Pressehaus Gruner+Jahr, Baumwall, tägl. 10 – 18, mittwochs bis 20 Uhr, bis 21. März. Neue Publikationen: Portfolio „The Mystery of Life“ in der Reihe „Stern-Bibliothek der Fotografie“, Hamburg 1999, 29,90 Mark;

Werkmonographie „Vis à Vis“, Verlag Steidl, Göttingen 1999, 264 Seiten, 280 Fotos, 78 Mark

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