Das Portrait: Der Outsider
■ Atal Behari Vajpayee
Für viele Gegner der BJP zeigte sich in den letzten Tagen nur ein Hoffnungsschimmer: Atal Behari Vajpayee. Er ist der einzige BJP-Politiker, der vielen Indern die Angst vor der Partei mit dem hinduistischen Dreizack nimmt. Vajpayee ist, obwohl ältestes Mitglied seiner Partei, ein Outsider geblieben. Er war einer der wenigen, der sich für die Ayodhya-Katastrophe entschuldigte und Kritik am radikalen antimuslimischen Kurs seiner Partei übte. Als erfahrener Abgeordneter hatte er nicht nur sein rhetorisches Talent entwickeln können. Er baute auch Brücken zu anderen Parteien, die es ihm erlaubten, das Stigma der BJP als Paria zu durchbrechen.
1977, nach dem Ende des Ausnahmezustands unter Indira Gandhi, brachte er die Jana-Sangh-Partei in die Janata-Partei ein und war zwei Jahre ein hochgeachteter Außenminister, dem es sogar gelang, die Beziehungen zu Pakistan zu verbessern. Der Fall der Regierung und die Rückkehr Indira Gandhis brachten Vajpayee aber auch Kritik ein, vor allem von der Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS), der Kaderorganisation der radikalen Hindus. Vajpayee beeilte sich, 1981 eine neue Partei, die Indische Volkspartei BJP, zu gründen. Doch der Versuch, die Partei auf einen Dorfsozialismus gandhischer Prägung einzuschwören, mißlang. Vajpayee wollte sich zurückzuziehen, um so mehr, als er durch Krankheit eine Niere verloren hatte. Zudem steuerte sein Nachfolger Advani wieder einen scharf antimuslimischen Kurs. Doch die RSS wollte ihn nicht ziehen lassen, er blieb.
Sein politischer Wert zeigte sich zwei Jahre nach der Zerstörung der Ayodhya-Moschee durch Mitglieder von RSS-nahen Organisationen. Die BJP verlor die Wahlen in drei Bundesstaaten und war gezwungen, ihre religiöse Agenda zu mäßigen. Vajpayee wurde wieder als Elder Statesman der Partei aufgebaut und im November 1995 zum Kandidaten für das Premierministeramt vorgeschlagen. Eine gute Wahl, ist Vajpayee doch einer der wenigen Politiker, dessen Image durch die jüngsten Korruptionsaffären nicht gelitten hat. Die Einladung zur Regierungsbildung ist für den 70jährigen Vajpayee eine Gelegenheit zu zeigen, daß er mehr ist als nur das akzeptable Gesicht einer inakzeptablen Organisation, wie ihn eine Zeitung charakterisierte. Seine Aufgabe wird es sein, zu zeigen, daß es seiner Partei mit der Aussöhnung ernst ist. Bernard Imhasly
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