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■ Der Muff der großen weiten WeltWilde und Clowns

Der Muff der großen weiten Welt

Wilde und Clowns

Wenn in der deutschen Werbung Nicht-Deutsche auftreten, wird es meist peinlich: Egal ob in einem Radio-Spot ein fideler „Chinese“ in schlechtem Deutsch etwas übel die leckelen Flühlingslollen von McDonald's elzählt oder der nicht minder vergnügte Italiener Angelo in der Fernsehwerbung für den Instantkaffee Presso Presso „typisch südländischen“ Charme versprüht – man wird den Eindruck nicht los, als sei die deutsche Werbung irgendwie in den fünfziger Jahren hängengeblieben. Auch wenn Nestlé seinen Sarotti-Mohr in den letzten Jahren nicht mehr werblich benutzt hat: Ausländer, besonders Farbige, dienen in der deutschen Werbung meist als exotischer Blickfang – sowie jetzt der US-amerikanische Athlet Carl Lewis, der (in knallrote Pumps gezwängt) die Schnelligkeit von Pirelli-Reifen veranschaulichen soll.

Was dieses Bild mit einem Autoreifen zu tun haben mag, wissen nur die Werbe-„Kreativen“. Ein Einzelfall ist es nicht: In einer Printanzeige für den italienischen Weißwein Galestro, die unter anderem der Spiegel veröffentlicht hat, sehen wir ein weibliches schwarzes Modell mit verzückt geschlossenen Augen und leicht geöffnetem Mund, das ein Weinglas in der Hand hält. Der Slogan: „... ein phantastischer Weißer hat mich verhext ...“

Bescheuerter geht's nicht mehr. Das dümmliche Wortspiel spekuliert auf sämtliche Ressentiments gegenüber Farbigen: Durch die sexuelle Verfügbarkeit, die das Modell signalisiert, wird die Schwarze zum Objekt degradiert, das der unglaublichen Anziehungskraft von „phantastischen Weißen“ (Männern natürlich) hilflos ausgeliefert ist.

Solche Sternstunden deutscher Werbung – gleichzeitig rassistisch und sexistisch – sind zugegebenermaßen seltener geworden. Und wenn es darum geht, gutgemeinte Kampagnen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu produzieren, überschlagen sich viele deutsche Werber vor lauter Menschenfreundlichkeit – häufig sogar ohne Bezahlung.

Doch in der Wirtschaftswerbung wird mit anderen Maßstäben gemessen: Als die Hamburger Agentur Scholz & Friends für die Zigarettenmarke Peter Stuyvesant eine Multikulti-Kampagne mit dem Slogan „Come together“ startete, war in einer der ersten Anzeigen ein lachender Schwarzer mit rotem Mund und sehr dunklem Teint zu sehen. Bei Marktforschungsuntersuchungen fiel das Motiv vollkommen durch. In Zeitschriften wurde die Anzeige sogar rausgerissen – die Agentur hätte beinahe den 20 Millionen schweren Etat des Zigarettengiganten Reemtsma verloren. Allmählich wurden darum die Motive „aufgehellt“, mit buddhistischen Mönchen und „bunten“ Indios.

Im vergangenen Herbst, als sich die ausländerfeindlichen Gewalttaten in Deutschland häuften, änderte man sogar den Slogan: Statt des völkerverständigenden „And learn to live as friends“ stand nun „Share the Taste“ unter den Anzeigen. Interessanterweise ist die Zigarette, die den „Duft der großen weiten Welt“ verkörpern soll, besonders in den provinziellen Gegenden Niederbayerns und Oberfrankens beliebt, wie der Scholz- &-Friends-Mann Wolfgang Lebrecht bei einer Tagung der Evangelischen Akademie Arnoldshain berichtete. In vermeintlich weltoffeneren Gegenden wie in dem deutsch-holländischen Grenzgebiet um Aachen hat die Marke nur einen mickrigen Marktanteil von 0,7 Prozent.

Die Werbung sei nicht die Volkshochschule der Nation, verteidigen Werber gerne ihre Werke, sie würden nur Wunschträume und gesellschaftlich akzeptierte Stereotypen reproduzieren. Als Legitimation ist das freilich ein wenig dürftig für eine Branche, die im vergangenen Jahr 50 Milliarden Mark verpulvert hat, um ihre „Werbebotschaften“ herauszuposaunen.

Darum gibt es als Branchenorganisation den Deutschen Werberat, bei dem man sich über rassistische, sexistische oder diskriminierende Reklame beschweren kann. Doch die Entscheidungen des Werberats wirken häufig weltfremd. Zwar sprach man 1993 tatsächlich eine Rüge wegen fremdenfeindlicher Werbung aus, aber dafür mußte es schon ziemlich dick kommen: In einem Werbebrief des Münchner Image Medien Verlags war eine türkische Putzfrau zu sehen, der Sätze in den Mund gelegt waren wie: „Ich nix verstehen von Business ... Ich nix gut kennen ...“ und „... immer sitzen zu Hause.“ Nicht gerügt wurde dagegen eine Anzeige der Zigarettenmarke West, in der ein blondes, weißes Modell einer verschleierten Muslimin eine Zigarette anbot. Eine Verunglimpfung des Islam könne „man nicht feststellen“, beschied man den Beschwerdeführer.

Tatsächlich ist es nicht fremdenfeindlich, wenn eine Deutsche auf einem Werbeplakat einer Muslimin eine Zigarette hinhält. Dieses Einzelmotiv muß aber in Zusammenhang mit der übrigen West-Werbung gesehen werden. Und diese lebt von der Gegenüberstellung junger, schöner West-Raucher mit „Außenseitergestalten“ wie Dominas, Transvestiten, Aliens oder zuletzt einem langhaarigen Öko-Typen (übrigens mit der taz in der Jutetasche!). Und wenn einer dieser „Freaks“, die mit vermeintlich „normalem“ weißem deutschem Mainstream konfrontiert werden, eine Muslimin mit Schleier ist, ist das eben doch fremdenfeindlich.

Wer nur wirtschaftlich argumentiert, daß Ausländer auch Konsumenten seien und entsprechend umworben werden müßten, ist freilich noch lange kein Antirassist, sondern spricht fürs Marketing. Wer einem das als Methode zur Integration andienen will, ist genauso zynisch wie die Politiker, die bei ausländerfeindlichen Krawallen daran erinnern, daß Deutschland ein Exportland ist und im Ausland einen Ruf zu verlieren hat.

Trotzdem: Würden die Ausländer, die in Deutschland leben, und andere Fremde in der Werbung zur Abwechslung mal nicht als Clowns oder schöne Wilde, sondern als gleichberechtigte Mitmenschen dargestellt, würde das sicher niemandem schaden. Tilman Baumgärtel

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