Der Müllberg soll höher werden

■ Osnabrück: Erweiterung einer Mülldeponie ohne Umweltverträglichkeitsprüfung

Müllverbrennung ist out. Die neue Parole im rot-grün regierten Niedersachsen lautet: Vermeiden, verwerten, und was dann noch übrig bleibt auf die Deponie. Daß auch diese Strategie zahlreiche Proteste in den Orten hervorrufen wird, in denen Deponien geplant werden, läßt sich derzeit am Beispiel Osnabrück studieren. Dort läuft im Moment ein Planfeststellungsverfahren zur Erwei

terung der Zentraldeponie Piesberg. Pläne gegen die neben Anwohnern auch die örtlichen Grünen und inzwischen auch die CDU Sturm laufen.

Seit 1975 wird auf dem Piesberg Müll abgekippt. Genehmigt wurde die Zentraldeponie als Deponie für Hausmüll und hausmüllähnliche Abfälle aus Gewerbe- und Industrie. Doch mit dem wachsenden Entsorgungsproble

men zahlreicher Betrieb änderte sich auch der Charakter der Deponie. Insbesondere durch den „6. Änderungsbescheid“, so klagen die Grünen, sei die Deponie zur Sonderabfalldeponie geworden, und das ohne Öffentlichkeitsbeteiligung. Obwohl die Abdichtung der Kippe 100 Mal durchlässiger sei als nach neuen Richtlinien verlangt, würden Klärschlämme, Schlacken aus Sonermüllverbrennungsanlagen, chrom- und kupferhaltige Galvanikschlämme und anderes Giftzeug praktisch unkontrolliert dort abgelagert. Und obwohl der Betrieb der Deponie bereits jetzt „völlig unverantwortbar“ sei, so die Grüne Agnes Bünemann, soll mit einem Planfeststellungsverfahren jetzt die Voraussetzung geschaffen werden, daß auch im kommenden Jahrzehnt fleißig Müll aller Arten auf dem Piesberg abgelagert wird.

Bis zum 1. August läuft in Osnabrück die Einspruchsfrist, ein geschickt terminiertes Verfahren. Denn ab 1. August wird für solche Pläne eine Umweltverträglichkeitsprüfung rechtsverbindlich vorgeschrieben. Deshalb hat sich die Stadt Osanbrück beeilt, um diese zusätzlichen Umwelt-Anforderungen zu umgehen. Bünemann: „Wir fühlen uns verarscht.“ Statt einer Erweiterung der Deponie fordern die Grünen den Müllstopp für den Piesberg und eine Sanierung dieser jungen Altlast.

Bei der Bezirksregierung Weser-Ems in Oldenburg begründet

man den Verzicht auf die ab kommenden Monat vorgeschrieben Umweltverträglichkeit mit der Dringlichkeit, Deponieraum zu schaffen. Klaus Stietencron, Sprecher der Bezirksregierung: „Eine Umweltverträglichkeitsprüfung dauert lange Zeit.“ Einige Anforderungen, die durch eine UVP vorgeschrieben würden, sollten aber auch jetzt durch zusätzliche Gutachten erbracht werden. Ansonsten ist aber auch die Bezirksregierung alles andere als überzeugt davon, daß eine Erweiterung des Piesberg die ideale Lösung für die Osnabrücker Müllprobleme ist. Insbesondere eine Aufschüttung der bestehenden Deponie um weitere 20 Meter, wird skeptisch beurteilt. Stietencron: „Ob das genehmigungsfähig ist, steht keineswegs fest.“ Vorsorglicher Rat der Bezirksregierung an die Politiker vor Ort: „Es ist unser Bestreben, daß sich Stadt und Landkreis aufgrund der auf Dauer zu sehenden Probleme vorsorglich auf die Suche nach Alternativen machen.“ Stimmt die Bezirksregierung den Osnabrücker Müllplänen doch zu, werden sich die Gerichte mit dem Piesberg zu beschäftigen haben.

Eine den Grünen vorliegende juristische Stellungnahme zu der Art, wie der Piesberg derzeit verfüllt wird, legt Aussicht auf Erfolg nahe. Dort heißt es zur bisherigen Praxis, die Deponie von einer Hausmüll- zur Sondermüllanlage zu machen: „Hier liegt ein krasser Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip vor.“

hbk