Der Mann ohne Rotes Rathaus

Erhard Krack, langjähriger Oberbürgermeister Ostberlins, ist lautlos gestorben. Mit Bürgermeister (West) Walter Momper organisierte der Pragmatiker 1989 das Zusammenwachsen der Stadt. Als Wahlfälscher warf ihn der Runde Tisch aus dem Amt

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Einer der wenigen, die nach dem Rücktritt vom Amt 1990 noch mit ihm losen Kontakt hielten, war Walter Momper. Der SPD-Bürgermeister (West) rechnete es dem SED-Bürgermeister (Ost) hoch an, dass er in Zeiten der politischen Wende 1989/90 nicht mauerte, sondern „in ganz pragmatischer Zusammenarbeit“ die gemeinsamen Perspektiven der noch geteilten Stadt und ihrer Bürger in Angriff nahm: die Kooperation der Polizei, der Verkehrsbetriebe und kulturellen Institutionen – und die Öffnung des Brandenburger Tores kurz vor Weihnachten 1989. Andere, insbesondere die eigenen Parteigenossen, waren da weniger sentimental. Erhard Krack, Oberbürgermeister von Ostberlin von 1974 bis 1990, wurde fallen gelassen. Am Montag starb Krack an den Folgen eines Herzanfalls im Alter von 69 Jahren. Tot war der einstige Oberbürgermeister schon seit langem. Und Kränze wie für Gustav Böß, Ernst Reuter oder Willy Brandt wird ihm die Stadt nicht flechten.

Politisch gestorben ist Erhard Krack am 7. Mai 1989. Krack war damals der Vorsitzende der Wahlkommission für die DDR-Volkskammerwahl. Als die offenkundigen Fälschungen nur ein halbes Jahr später publik wurden, distanzierte sich der OB zwar von den „verwerflichen Taten und Auswüchsen eines deformierten Systems“. Genutzt hat es ihm nichts. Der „Runde Tisch“ im Roten Rathaus forderte Krack auf, die Verantwortung zu übernehmen und zurückzutreten. Mitte Februar 1990 schied er aus dem Amt, bestritt aber jegliche persönliche Einflussnahme auf die Wahlen 1989.

Seither galt Krack bei den SED-Genossen als Persona non grata. Er wurde geschnitten und trat aus der Partei aus. Seine Dienstvilla musste Krack räumen. Bis zum Tod blieb er arbeitslos, lebte mit seiner Frau zurückgezogen in Pankow und war ein bescheiden finanzierter Rentner.

Ein Held der Stadt war der pragmatisch agierende Kommunist auch zuvor nie gewesen. Der 1930 in Danzig geborene Krack war 1951 in die SED eingetreten und studierte Wirtschaftswissenschaften in Rostock sowie Gesellschaftswissenschaften in Moskau. In den 60er-Jahren, bis zu seinem Amt als Oberbürgermeister von Ostberlin 1974, leitete er als Minister das Ressort für bezirksgeleitete Industrie und Lebensmittelindustrie. Außerdem gehörte Krack dem ZK der SED, der Volkskammer und der Stadtverordnetenversammlung von Berlin (Ost) an – blieb aber blass und von der Anbindung des Amtes an den Staatsapparat gegängelt. Einen Versuch etwa, Mitte der 80er-Jahre, zur 750-Jahr-Feier Berlins, die Teilung der Stadt zu überbrücken und gemeinsame Veranstaltungen abzuhalten, ließen die Parteigenossen nicht zu. Man feierte verbissen getrennt.

Dass Krack es dennoch schaffte, in seiner 16-jährigen Ära der Stadt einen gewissen Stempel aufzudrücken, lag – wenn auch als offizielles Planungsziel von der Partei beschlossen und von kritischen Architekten gefordert – in seinem Bemühen, das Stadtbild zu verbessern. In den 80er-Jahren wurden im innerstädtischen Wohnungsbau Lücken geschlossen und Altbauwohnungen saniert, beispielsweise in der Luisenstraße oder in der Husemannstraße. Der Wiederaufbau im Nikolaiviertel, am Gendarmenmarkt und in der Friedrichstraße wurden von ihm als „Rekonstruktionsmaßnahmen“ des alten Stadtkerns befördert. Die „kritische Rekonstruktion“ in Westberlin erhielt so ihr Pendant in Ostteil. Öffentlich belobigen dafür ließen sich Parteichef Honecker und unterwürfige Planer. Krack blieb im Hintergrund. Und das bis zum Ende.