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■ Der Mammutgipfel der „Sozialpartner“ im Hôtel MatignonErgebnis-, aber nicht folgenlos

Was in der Nacht zu Freitag bei den Verhandlungen der 41 Frauen und Männer im Hôtel Matignon in Paris an Konkretem herauskam, ist schnell zusammengefaßt: Eine paar Anreize zur Ankurbelung der Konjunktur und eine neue, feierliche Absichtserklärung, nun wirklich entschieden gegen die Jugendarbeitslosigkeit vorzugen. Mehr nicht.

Am Ende des härtesten Klassenkampfes des letzten Vierteljahrhunderts in Frankreich und gemessen an den großen Erwartungen, die von allen Seiten an das Treffen mit dem pompösen Titel „Sozialgipfel“ geküpft wurden, ist das ein lächerliches, ein trostloses Ergebnis.

Dennoch markieren die zehn Stunden am Verhandlungstisch einen Wendepunkt. Die vorausgegangenen Ereignisse hatten die Grenzen des traditionellen sozialen Dialogs à la française gezeigt. Eine massive Streikbewegung hatte einer sturen Regierung gegenübergestanden. Wochenlang hatte die Kraftprobe das ganze Land lahmgelegt, wochenlang wiederholten die Kontrahenten unbewegt ihre Parolen – ohne daß sich auch nur das Geringste getan hätte. Dieser Exzeß der Sprachlosigkeit ist jetzt an seinem Ende angelangt.

Schließlich mußten beide Seite nachgeben: Die Regierung nahm einen Teil ihrer Reformvorhaben zurück, und die Streikenden verzichteten auf ihre maximalen Forderungen. Premierminister Juppé mußte einsehen, daß er sein Land nicht im Diktat regieren kann, auch wenn die Parteien, die ihn stützen, über die absolute Mehrheit in sämtlichen gewählten Gremien verfügen. Und die Streikenden waren nach einer unerhörten Kraftanstrengung am Rand der physischen und materiellen Erschöpfung angelangt.

Die Drohung mit dem Dekret ist ebenso weiterhin möglich wie die Drohung mit der Wiederaufnahme des Streiks. Aber der „Sozialgipfel“ hat gezeigt, daß in Frankreich auf allen Seiten eine neue Bereitschaft vorhanden ist, Konflikte anders als bisher zu lösen:

Erstens, weil alle Sozialpartner an dem Treffen teilgenommen haben.

Zweitens, weil trotz der großen Enttäuschungen niemand die Türen schlagend gegangen ist.

Und drittens, weil alle zur nächsten Runde wiederkommen wollen. Dorothea Hahn, Paris

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