Der Lockdown und die Kunst in Berlin: Sparangst und Lichtblicke
Die Arbeit mit der Kunst geht weiter, man bekommt sie derzeit nur nicht zu sehen: Beispielhafte Blicke in die Berlinische Galerie und C/O Berlin.
Für Besucher*innen ist der Ausstellungsbetrieb komplett zum Erliegen gekommen. In den Häusern selbst ist aber keine Spur von Stillstand. Alte Ausstellungen werden abgebaut, neue aufgebaut, es wird gebohrt, geklebt, gefräst und gedübelt. „Wir haben plangemäß unsere Ausstellung ‚Gezeichnete Stadt‘ abgebaut und sind fast fertig mit dem Aufbau von 'Anything Goes? Berliner Architekturen der 1980er Jahre“, erzählt Thomas Köhler, Direktor der Berlinischen Galerie, der taz.
Natürlich gehen Auf- und Abbau ganz pandemiekonform vonstatten, mit Schichtsystem und Maskenpflicht, versichert Köhler. Verschiebbar waren die Umbauten nicht, trotz aktuellem frühestem Wiedereröffnungstermin Anfang April, also nach Ostern. „Wir planen unsere Auf- und Abbauten mit einer externen Firma. Die bucht uns zu bestimmten Zeiten ein. Und deshalb sind wir nicht so flexibel. Auch beim internationalen Leihgeschäft sind wir an lange vorher vereinbarte Termine gebunden“, erklärt Köhler.
Weil die Maschinerie trotz Corona weiterlaufe, fühle sich für ihn ein Gang durch die einzelnen Ausstellungsräume daher fast normal an, sagt er.
Tiefe Einschläge hat die Pandemie vor allem in den Budgets hinterlassen. Etwa 910.000 Euro weniger Eintrittsgelder machten allein für sein Haus die coronabedingten Schließzeiten aus. Ungefähr 150.000 Besucher*innen weniger als im gleichen Vorjahreszeitraum kamen.
Für alle Berliner Landesmuseen betrug der Ausfall 2020 allein im ersten bis dritten Quartal acht Millionen Besucher*innen und etwa 15 Millionen Euro, etwa zwei Drittel des gewohnten Umfangs. Das ergab eine Antwort des Berliner Senats auf eine Anfrage der CDU im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses.
Während in den öffentlichen Institutionen der Betrieb selbst noch nicht gefährdet ist – das Land kommt schließlich für die Miete und Gehälter auf –, sieht die Lage für die privaten Einrichtungen viel düsterer aus.
Verbindliche Strategie
Deshalb schlug Ende Januar auch der Deutsche Museumsbund Alarm. Er sieht die Existenz vieler Museen bedroht. „Die Museen tragen seit Monaten die notwendigen Entscheidungen zum Schutz vor dem Coronavirus mit und haben alle Maßnahmen entsprechend umgesetzt. Doch die Not wird immer größer, viele der Häuser haben nach monatelangen Schließungen keinerlei finanzielle Polster.
Und wenn kommunale Träger bereits jetzt Spardebatten führen und schon jetzt erste Kulturetats gekürzt werden, dann ist das Sparen am falschen Ende!“, warnte Eckart Köhne, Präsident des Deutschen Museumsbundes, in einer Pressemitteilung. In einer aktuellen Verlautbarung von dieser Woche fordert der Museumsbund deswegen von den Entscheidungsträgern in der Politik, „die Museen schnell wieder zu öffnen und eine verbindliche Öffnungsstrategie vorzulegen“.
Das trifft den Nerv vieler Mitglieder und auch vieler Nichtmitglieder. Stephan Erfurt, Mitgründer des rührigen Ausstellungshauses C/O Berlin, musste seine Einrichtung an insgesamt 172 Tagen des vergangenen Jahres geschlossen halten. Nach seiner Schätzung gingen die Publikumszahlen deshalb um mehr als die Hälfte zurück. Und auch auf das Ausstellungsprogramm selbst hatte die Pandemie Einfluss. „Unsere groß geplante Jubiläumsausstellung ‚Send Me an Image‘ mussten wir von 2020 nach 2021 verschieben. Alle geplanten Aktivitäten zum 20-jährigen Bestehen haben wir letztes Jahr abgesagt. Das tut schon sehr weh“, so Erfurt.
Erschwerend kommen Planungsunsicherheiten hinzu. „Zweimal haben wir das komplette Ausstellungsprogramm für 2021 überarbeiten müssen: also Zeiträume verschieben, Ausstellungskonzepte überarbeiten. Einzelne Projekte stehen permanent auf der Kippe. Hier müssen wir immer wieder bei Kooperationspartnern und Künstler*innen um Verständnis werben. Gleichzeitig muss unser Team neben seinen Kernaufgaben zusätzlich diverse Szenarien durchspielen. Das ist nerven- und zeitraubend“, meint er.
Besserer Digitalauftritt
Dennoch geht es weiter. Auch bei C/O Berlin wird an der neuen Ausstellung gebaut. „Send Me an Image“ soll Ende März eröffnet werden, hofft Erfurt.
Die kurze, aber lebhafte Ausstellungstätigkeit zwischen dem ersten und dem zweiten Lockdown macht ihm Mut. „Die Publikumsresonanz war bis Ende Oktober großartig. Die teilweise jahrelange Vorarbeit, wie für unsere Ausstellung ‚Harald Hauswald. Voll das Leben!‘, zahlte sich aus“, konstatiert er.
Hilfreich war auch das Programm „Neustart Kultur“ der Bundesregierung. „Damit konnten wir bereits während des Lockdowns im Frühjahr umfassende Hygiene- und Schutzmaßnahmen umsetzen“, erzählt Erfurt. In anderen Förderprogrammen von Bund und Land fiel C/O Berlin aber durch die Maschen. Jetzt hofft Erfurt auf die November- und Dezemberhilfen des Bundes.
So auch die Berlinische Galerie. Allerdings sieht Direktor Köhler schon Probleme im Kleingedruckten auf sich zukommen. „Es kann sein, dass wir dann bereits genehmigte Hilfen vom Land Berlin wieder zurückzahlen müssen“, sagt er der taz. Navigieren im Förderdschungel ist also angesagt. 72.000 Euro erhielt die Berlinische Galerie vom Land zur Finanzierung der Hygienekonzepte.
In die Zukunft blickt Köhler durchaus optimistisch. Die Pandemie hat zu einem verbesserten Digitalauftritt seines Hauses geführt. „Videorundgänge durch die Ausstellungen und Tutorials der Museumspädagogik wurden gut angenommen. Wir wollen das beibehalten und perspektivisch noch mehr Programme auf Englisch anbieten“, sagt er. Mit einem Einbruch der Kulturfinanzierung rechnet er nicht. „Dieses Vertrauen habe ich in die Politik. Sparschäden als Folge von zu radikalen Kürzungen sind ja ausgesprochen schwer wieder zu beheben. Museen sind ein wichtiger Ort für Kultur, Bildung und Kommunikation. Ich glaube nicht, dass die Politik da den Rotstift ansetzt.“
Mittelfristige Auswirkungen auf den Ausstellungsbetrieb vermutet er durch die Pandemie aber doch. Vor allem der internationale Leihbetrieb dürfte wegen der Unsicherheiten im Reiseverkehr zurückgehen. Ausstellungen müssten dann mehr aus eigenen Beständen bestückt werden.
Ökologisch wäre das sogar sinnvoll. Und für die Museen bedeutete das noch eine Chance. „Wenn die Ankaufetats der Museen gestärkt würden, hätten alle etwas davon: Der Kunsthandel im Lande wäre angekurbelt, Künstler*innen und Galerist*innen hätten Einnahmen und die Museen größere Spielräume“, zeichnet Köhler ein postpandemisches Bild in ganz rosafarbenen Tönen.