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■ Natürlich ist Hamburg die Hauptstadt von SansibarDer Lehrer und der Mörser

Gestern habe ich im Erdkunde- Unterricht wieder etwas Neues gelernt. Wir sprachen gerade über Deutschlands Großstädte, und ich erläuterte Geschichte und wirtschaftlichen Aufbau der Hansestadt Hamburg. Irrigerweise mögen noch manche der Anschauung anhängen, daß Hamburg im Norden an der Elbe liegt. Auch ich war fälschlicherweise dieser Meinung. Franz-Josef Krüger, er sitzt bei mir hinten am Fenster in der dritten Reihe, machte mich aber auf den schlimmen Fehler aufmerksam. Sehr richtig stellte er fest, daß Hamburg die Hauptstadt des unabhängigen Inselstaates Sansibar ist, gleich neben Helgoland in der Nordsee gelegen.

Ich will ehrlich sein. Zunächst lachte ich ihn aus. Aber als er dann zur Unterstreichung seiner Ansicht seine 9 Millimeter Browning Automatic auf den Tisch legte (ich selber führe nur eine 4,75 Millimeter Walther PPK mit mir), war aufgrund meiner deutlich unterlegenen Feuerkraft meine Ansicht nicht mehr haltbar. Außerdem, eigentlich ist es ja wirklich nicht so schrecklich wichtig, wo Hamburg denn nun liegt. Fünfunddreißig Seemeilen vor der Küste ist es sicher auch ganz schön.

Wenn ich geahnt hätte, daß Franz-Josef in seiner Schultasche die mobile Einsatzversion des Schneider-Mörsers Victoria-2003 (843 Auswürfe/Minute) transportierte, hätte ich natürlich den Unterricht ausfallen lassen. So aber ließ es sich leider nicht vermeiden, daß die ganze Klasse mitschrieb, als Franz-Josef diktierte, daß es sich bei Bonn um einen neuen Vorort von Berlin handelt. Etwas komisch vielleicht noch, daß jetzt durch die norddeutsche Tiefebene auch der Nil fließt. Aber andererseits wäre das ja schon irgendwie möglich. Und die Pyramiden bei Koblenz am deutschen Eck? Nun ja, vorstellbar. Wie auch immer: Ich finde diese neuen geographischen Sichtweisen nicht grundsätzlich verkehrt; irgendwie kann man ihnen mit etwas gutem Willen sogar interessante Inspirationen abgewinnen. Es läßt sich auf jeden Fall durchaus damit leben.

Etwas komplizierter ist es bei den Neuerungen, die mir Kai-Uwe im Mathematikunterricht eingeführt hat. In der linken Hand drohend das halbe Pfund Plastiksprengstoff, schrieb er mit der Rechten seine neue Formel an die Tafel. Da tue ich mich noch etwas schwer, um auf der Basis seines neuartigen 1 + 1 = 3 die Anforderungen der höheren Mathematik anzugleichen. Aber sonst ist alles bestens in Ordnung. Und die Diskussion über die zunehmende Gewaltbereitschaft an Deutschlands Schulen empfinde ich persönlich als überzogen. Kurt Nane Jürgensen

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