Der Lastkraftwagen unter den Fahrrädern

■ Lasträder könnten in Städten mindestens ein Fünftel aller Waren transportieren. Könnten

Berlin (taz) – Das Fahrrad hat ein Imageproblem. Umweltfreundlich ist es ja, nicken Unternehmen und Gemeinden. Schnell ist es auch, ein Lückennutzer in autoverstopften Straßen. Aber Colakisten darauf transportieren, Akten und Pakete gar? Bitte nicht, heißt es dann, da seien Autos doch besser geeignet. Ein Vorurteil, denn gut ein Fünftel aller Warensendungen könnte problemlos auf Fahrrädern befördert werden. Das geht aus einem Bericht des nordrhein-westfälischen Instituts für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (IS) hervor.

Jede fünfte Warensendung ist leichter als drei Kilo, schätzt das Institut – Mini-Lasten, die sich bequem per Fahrrad ausliefern ließen. „Ein leichtes angesichts der angebotenen Radmodelle“, bekräftigt Heinz Klewe, der Autor des Berichts. Stabile Radanhänger halten bis zu 250 Kilo aus. Und eine Stichprobe bei Transportunternehmen in Düsseldorf ergab, daß 65 Prozent aller Sendungen weniger als 100 Kilo wiegen.

Aber da ist eben das Imageproblem des Lastrades. Zwar besitzen die Deutschen nach Schätzung der Fahrrad- und Motorradindustrie 63 Millionen Räder; 4,5 Millionen werden jährlich neu gekauft – doch hauptsächlich klassische Personenräder, mit Gepäckträger hinten und Körbchen vorne. Sie prägen auch die Vorstellung der ManagerInnen vom Fahrrad. „Es fehlt an Möglichkeiten, Lasträder kennenzulernen und auszuprobieren“, kritisiert Heinz Kleve. Abhilfe könnten Sevice-Center schaffen, die Räder verleihen und KundInnen beraten.

Wenn beispielsweise Supermärkte ihren KundInnen die Einkäufe per Rad nach Hause bringen ließen, würde der Wochenendeinkauf mit dem Auto unnötig. Und an Waren-Sammelstellen könnten Pakete aus Lastwagen oder Zügen auf Räder umgeladen werden.

Doch die meisten Firmen tun sich schwer mit solchen Ideen. Zwar entwickeln immer mehr Unternehmen zusammen mit den Gemeinden sogenannte City-Logistik-Konzepte, die verschiedene Verkehrsmittel miteinander verbinden. In Köln zum Beispiel werden Waren per Bahn bis zu großen Parkplätzen gebracht und dort von Lastwagen abgeholt; in Aachen haben sich Spediteure zusammengeschlossen und beliefern die Innenstadt gemeinsam. Fahrräder spielen nur eine Statistenrolle. Die Ausnahmen sind schnell aufgezählt: Ein paar Fahrad-Kuriere, der Paketdienst-Riese UPS nutzt in Köln genau ein Lastenrad für Lieferungen innerhalb der Stadt. Nur die Post kauft jährlich 15.000 Räder für ihre BriefträgerInnen.

Noch zögerlicher als die Firmen treten die Behörden in die Lastrad- Pedale. Die Stadt Münster in Westfalen hat zwei Diensträder, Dortmund eines. Den Stadtverwaltungen generell zum Einsatz von Rädern zu raten, verstoße gegen die kommunale Selbstverwaltung, ließ die nordrhein-westfälische Landesregierung vor zwei Jahren die grüne Landtagsfraktion wissen. Dabei wären Ämter die idealen Lastrad-Besitzer. Sie haben meistens Akten zu transportieren, und die sind leicht. Doch die Behörden halten dagegen: die Papiere seien oft vertraulich, unterlägen dem Datenschutz oder dem Steuergeheimnis. Und „dem wird durch den Einsatz von Fahrradkurieren nicht genügend Rechnung getragen“. Eben ein Imageproblem. Judith Weber