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■ Der Kunde soll kaufen, die VerkäuferInnen dürfen bis abends um acht freundlich lächeln: Erstmals einigten sich die Tarifparteien auf späte Arbeitszeiten ab dem 1. November. Dafür wird's dann mehr Freizeit und viele Ausnahmeregeln gebenSc

Der Kunde soll kaufen, die VerkäuferInnen dürfen bis abends um acht freundlich lächeln: Erstmals einigten sich die Tarifparteien auf späte Arbeitszeiten ab dem 1. November. Dafür wird's dann mehr Freizeit und viele Ausnahmeregeln geben

Schuften bis zur „Tagesschau“

Für Workoholics, die nach 18.30 Uhr ihr sauer verdientes Geld beim Erlebniskauf herausschmeißen wollen, wurde gestern der Weg geebnet: Die Tarifpartner in Rheinland-Pfalz einigten sich auf das erste Abkommen zu längeren Ladenöffnungszeiten im Einzelhandel. Gewerkschaftsvertreter wollen den Tarifabschluß möglichst auch auf andere Bezirke übertragen, die Arbeitgeber fordern dort allerdings noch Veränderungen.

Nach der rheinland-pfälzischen Einigung bekommen die Beschäftigten für die Spätarbeit an Werktagen nach 18.30 Uhr und an Samstagen nach 14 Uhr einen Zuschlag von 20 Prozent gutgeschrieben. Den Zuschlag gibt es laut Angaben des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE) auf Wunsch der VerkäuferInnen entweder in Freizeit oder in Geld. Damit fallen die bisherigen Zuschläge von 55 Prozent für den langen Donnerstag unter den Tisch. Die Zuschläge gibt es wohlgemerkt nicht für zusätzliche Überstunden, sondern für Regelarbeitszeit, die in den Abendstunden liegt. Zum Vergleich: in den Niederlanden gibt es für VerkäuferInnen am Abend 33 Prozent mehr, in Österreich sogar 70 Prozent.

Laut der rheinland-pfälzischen Vereinbarung dürfen die VerkäuferInnen höchstens an drei Abenden in der Woche und drei Samstagnachmittagen im Monat zur Spätarbeit verdonnert werden. Die tägliche Arbeitszeit darf nicht länger als 8,5 Stunden dauern. Wer Kinder unter 15 Jahren hat, in Ehrenämtern verpflichtet ist oder keine geeignete Busverbindung nach Hause hat, kann sich von der Abendarbeit freistellen lassen.

Der rheinland-pfälzische Kompromiß wurde von Gewerkschaftsvertretern aus HBV und DAG gestern als bundesweites „Vorbild“ gefeiert. Den Arbeitgebern in den anderen Landesbezirken dagegen ist er zu teuer. Vor allem die Zuschläge für die Arbeit am Samstagnachmittag werden in anderen Regionen „noch heftigen Streit auslösen“, erklärte gestern HDE-Sprecher Thomas Werz. Bisher ist der lange Samstag im Monat nämlich zuschlagsfrei. In manchen Bezirken gibt es sogar nicht mal für den langen Donnerstag Zuschläge. Auch die Ausnahmeregelungen wollen die Arbeitgeber in anderen Bezirken nicht übernehmen. „Der Abschluß hat für uns keine Pilotfunktion“, betonte Werz. In den kommenden Tagen und Wochen wird in den anderen Tarifbezirken verhandelt. Nach der Einigung in Rheinland-Pfalz dürfte es dort in einigen Unternehmen völlig neue Arbeitszeitregelungen geben. Modelle wären denkbar, die den VerkäuferInnen im Ausgleich für die unattraktiven Abendstunden „superlange Wochenenden“ bescheren, so Jürgen Knoll, Sprecher des pfälzischen Landesbezirks der HBV. „Die Arbeitszeiten werden sich stärker am Kundenandrang orientieren“, ist der Berliner Arbeitszeitberater Lars Herrmann überzeugt. Der größte Bedarf herrscht allerdings am späten Nachmittag und möglicherweise künftig auch am Abend – genau in den Zeiten, die bei den Beschäftigten nicht beliebt sind. In früheren Befragungen des Münchener ifo-Instituts haben 56 Prozent der Frauen und 52 Prozent der Männer erklärt, abends möglichst nicht arbeiten zu wollen.

Arbeitgeber und Gewerkschaften erwarten, daß die Teilzeitbeschäftigung ausgeweitet wird. Inwieweit die Geschäfte von den längeren Öffnungszeiten Gebrauch machen werden, ist noch unklar. Auf die Einzelhändler kämen mit den längeren Öffnungszeiten noch nicht bezifferbare Personalkosten zu, wobei die meisten aber keine höheren Umsätze zu erwarten hätten, meinte Arbeitgebersprecher Werz. „Vor allem Verbrauchermärkte auf der grünen Wiese und Kaufhäuser in den Innenstädten werden von den längeren Öffnungszeiten profitieren.“ Die erweiterten Ladenöffnungszeiten gingen „voll gegen den Mittelstand“. Am langen Donnerstag, im VerkäuferInnenjargon „Schlado“ („scheißlanger Donnerstag“) geschimpft, haben laut Werz gerade mal 15 Prozent der Einzelhändler geöffnet. Für das Gros der Mittelständler lohnen sich nämlich die zusätzlichen Personalkosten nicht.

Die derzeit laufenden Verhandlungen der Tarifparteien über neue Arbeitszeiten ergänzen das ab 1.November geltende neue Ladenschlußgesetz. Ab dann dürfen Geschäfte werktags von 6 Uhr früh bis 20 Uhr und sonnabends bis 16 Uhr öffnen. Auch Bäcker können sonntags dann frische Brötchen verkaufen. Vor der Änderung des 40 Jahre alten Ladenschlußgesetzes hatten sich Gewerkschaften und Regierungsvertreter jahrelang mit diversen Gutachten bekriegt. Während das ifo-Institut in einem regierungsfreundlichen Gutachten rund 55.000 neue Jobs prophezeite, würde der Ladenschluß erweitert, hielt die Gewerkschaft HBV mit einem Gutachten des Münchner IMU-Instituts dagegen. Nach der IMU-Studie vernichten die längeren Öffnungszeiten Arbeitsplätze, weil sich die Umsätze auf die weniger personalintensiven Großmärkte verlagern. In den vergangenen Jahren war der Ladenschluß durch den langen Donnerstag und das immer reichhaltigere Sortiment, etwa in Tankstellen, aufgeweicht worden. Barbara Dribbusch

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