■ Genfer Verhandlungen über die Krajina bringen nichts: Der Krieg in Kroatien kommt
Das Genfer Treffen von Vertretern der Zagreber Regierung und der Krajina-Serben ist nur eine Scheinverhandlung. Präsident Tudjman mußte zumindest noch einmal Gesprächsbereitschaft demonstrieren, bevor seine Truppen beginnen, in der Krajina mit militärischen Mitteln den Status quo vor der Aggression Serbiens im Sommer 1991 wiederherzustellen. Da die UNO mit dem Vance-Plan vom Januar 1992 dem damals gerade souveränen Kroatien die Krajina versprochen hatte, ist Tudjman unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten kaum zu kritisieren. Jetzt rächen sich bitter die schweren Fehler und Versäumnisse der Jahreswende 1991/92, die vor allem von der Kohl/Genscher-Regierung zu verantworten sind. Bonn nötigte die EG seinerzeit zur vorschnellen Anerkennung Kroatiens – gegen den ausdrücklichen Rat des französischen Verfassungsrechtlers Badinter, der von der EG eigens zur Entwicklung von Anerkennungskriterien beauftragt worden war.
Die Krajina-Serben wollen mit ihrer Teilnahme an dem Genfer Treffen Zeit gewinnen. Je länger sie den Beginn des Angriffs der kroatischen Regierungstruppen verzögern können, desto größer ist ihre Chance, nicht völlig überrollt zu werden. Denn auch wenn Serbiens Präsident Milošević die Hilfegesuche aus Knin und Pale derzeit öffentlich noch ablehnt – zur Unterstützung der Krajina-Serben sowie der bosnischen Serben sickern derzeit verstärkt Soldaten der regulären Streitkräfte Serbiens nach Kroatien und Bosnien ein; Beobachter sprechen von bis zu 40.000.
Aber auch dieses bedeutet nicht notwendig, daß der militärische Schlag Tudjmans gegen die Krajina- Serben nicht Teil einer Absprache mit Milošević über die Aufteilung Bosnien-Herzegowinas ist. Bei zumindest zwei Treffen seit 1990 haben die beiden diese Option ausführlich diskutiert, möglicherweise sogar fest verabredet. Zumindest in der Umgebung Tudjmans wie auch unter den bosnischen Kroaten in der Herzegowina gibt es viele, die dieses Ziel trotz der muslimisch-kroatischen Föderation in Bosnien und der Konföderation dieser Föderation mit Kroatien nicht aufgegeben haben. Soviel ist jedenfalls sicher: Gewinnt Zagreb den Krieg gegen die Krajina, wäre deren „Präsident“ Martić als Konkurrent Miloševićs ausgeschaltet. Zudem droht ihm ebenso wie Karadžić der Prozeß vor dem Den Haager Tribunal.
In Bosnien besorgen derweil die Karadžić-Serben eine saubere territoriale Aufteilung ohne störende Muslim-Enklaven. Danach wäre die Zeit reif, eine Aufteilung Bosniens unter seinen beiden Nachbarstaaten auch offen zu propagieren – vielleicht versehen mit einer „Bestandsgarantie“ für ein kleines muslimisches Kerngebiet um Tuzla und Sarajevo. Andreas Zumach, Genf
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