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Der Kreuzfahrtboom im NordenDas Kreuz mit den Luxuslinern

Hamburg plant Landstromanbindung für Passagierschiffe, mehr Nachhaltigkeit und ein drittes Besucherterminal. Auf Rekordjahr 2011 folgt Rekordjahr 2012 - auch in Kiel und Rostock

Schmutziges Vergnügen: Die neue Queen Elizabeth am Sonntag am Kreuzfahrtterminal in Hamburg-Altona. Bild: dpa

HAMBURG taz | Hamburg plant ein drittes Kreuzfahrtterminal. Das verkündete Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) am Sonntag an Bord des Luxusliners "Queen Elizabeth" im Hamburger Hafen. Denn die beiden Terminals in der Hafencity und in Altona drohen in absehbarer Zeit den unablässig wachsenden Kreuzfahrtboom nicht mehr bewältigen zu können. Deshalb sei ein dritter Passagierterminal in der Norderelbe am Holthusenkai vor dem Überseezentrum gegenüber der Hafencity "in der Überlegung", so Horch. Noch in diesem Jahr werde, kündigte er an, "eine Entscheidung über das Projekt fallen".

Die Queen Elizabeth der amerikanisch-britischen Traditionsreederei Cunard eröffnete am Sonntag am Terminal in Altona die Kreuzfahrtsaison 2012 in der Hansestadt, in welcher Alfred Ballin vor 120 Jahren die Kreuzfahrt erfunden hatte. 1891 hatte der Chef der Reederei Hapag das erste Passagierschiff auf Lustreise ins Mittelmeer fahren lassen. In diesem Jahr rechnet Hamburg mit 164 Schiffsanläufen von 38 verschiedenen Cruiselinern mit zusammen mehr als 400.000 Passagieren. 2011 war bereits mit 118 Besuchen mit 314.500 Passagieren "die bisher erfolgreichste Kreuzfahrtsaison", freute sich Stefan Behn, Vorsitzender des Hamburg Cruise Center.

Auf Rekordkurs sind auch die beiden anderen großen Kreuzfahrerhäfen im Norden. Rostock-Warnemünde rechnet 2012 mit 181 Anläufen von 40 Schiffen mit fast 300.000 Passagieren. Im Vorjahr waren es 158 Anläufe von 34 Schiffen mit 259.000 Fahrgästen. In Kiel werden 28 Kreuzfahrer zu 140 Besuchen mit mehr als 400.000 Passagieren in der Förde erwartet. Im Vorjahr waren es 375.000 Fahrgäste bei 119 Anläufen.

Die Queens

Queen Elizabeth und die baugleiche Queen Viktoria sind die kleinen Schwestern der Queen Mary 2 der englischen Reederei Cunard.

Queen Elizabeth ist mit 294 Metern Länge, 33 Metern Breite, acht Metern Tiefgang und einem Gewicht von gut 90.000 Bruttoregistertonnen im Vergleich zu Containerriesen schmächtig.

2.068 Passagiere können auf die Dienste von 1.005 Besatzungsmitgliedern zählen.

Mehrere Gentleman Hosts stehen als Tanz- und Unterhaltungspartner für alleinreisende ältere Damen zur Verfügung - rein seriös, versteht sich.

Das nostalgische Retro-Design an Bord soll den Charme und Glanz der legendären Transatlantik-Liner der 1930er Jahre wieder aufleben lassen.

Die günstigste Preis der aktuellen Weltreise liegt bei 14.990 US-Dollar, die teuerste All-Inclusive-Suite kostet 130.000 US-Dollar.

Und die Passagiere lassen auch Geld an Land. Den eintägigen Aufenthalt der Queen in Hamburg, die am gestrigen Abend zu einer 111-tägigen Weltreise aufbrach und diese am 29. April wieder in Hamburg beenden soll, nutzten etwa 1.600 im englischen Southampton eingestiegene britische Fahrgäste zu einer Städtetour durch Hamburg, nach Lübeck oder Berlin. Weitere 174 Passagiere aus Deutschland gingen in Altona an Bord. Nach Zahlen aus dem Jahr 2010 gaben Kreuzfahrtgäste in Hamburg rund 18 Millionen Euro aus, 2011 dürfte dieser Betrag sich nahezu verdoppelt haben.

Wegen der weiterhin überproportional wachsenden Bedeutung dieses Wirtschaftszweigs kündigte Horch eine "Kreuzfahrt-Initiative" von Senat, Behörden, Reedereien und Tourismusverbänden an. Neben Ausbildung und Marketing solle "die Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit im Vordergrund stehen", so Horch. Deshalb sei ein Konzept für den Aufbau einer Landstromversorgung von Kreuzfahrtschiffen in Arbeit. Ende April werde es fertiggestellt sein können "und dann 2013 und 2014 umgesetzt".

Ziel ist, die Abgase der Schiffe zu verringern. Selbst im Stand-by-Betrieb am Liegeplatz haben große Cruiseliner mit ihren Küchen, Restaurants, Schwimmbädern und tausenden Kabinen den Stromverbrauch einer Kleinstadt. Wenn der mit dem Schiffsdiesel erzeugt wird, führt das zu hohen Emissionen an Kohlendioxid, Stickoxiden und Schwefel.

"Wir waren an vorbereitenden Gesprächen mit den Behörden beteiligt", bestätigt Alexander Porschke, Vorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu) in Hamburg auf Anfrage der taz. Technische und finanzielle Fragen einer Landstromanbindung seien weitgehend geklärt worden, berichtet er. Ende Oktober habe die Arbeitsgruppe eine abschließende Empfehlung für Landstrom ausgesprochen: "Das wäre ein großer Fortschritt", so Porschke: "Wir werden da weiter Druck machen, damit das auch umgesetzt wird."

Nach Aussage von Horch ist es jedoch "nicht mal eben mit einer Steckdose getan". Aber die Umweltfreundlichkeit der Kreuzfahrtschiffe werde in diesem Jahr "das vordringliche Thema" sein.

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