Der Kommentar zum Wochenende: taz goes lifestyle
Mediterrane, naja mindestens kölsche Züge
Irgendwie war man ja skeptisch: „Vision-Parade“, was soll’n das? Aber: Es war nett. Neonbuntes Volk, umsonst & draußen allein schon die Autofreiheit auf dem Osterdeich lohnte das Dabeisein.
Schließlich war auch der Name genial gewählt, beinhaltete er doch das Versprechen: Hinterher wischen wir alles wieder auf. Als dann auch noch der Türkei-Sieg über Senegal (als solcher freilich sehr bedauerlich) dazu kam, zeigte Bremen nahezu mediterrane, naja! mindestens kölsche Züge.
Die dortigen Autokorsos über die Ringe scheitern in Bremen zwar am Nichtvorhandensein selbiger. Aber, der Domshof voller roter Fahnen (ein spontanes türkisches Volksfest) das gab’s wohl zuletzt zu Zeiten der Räterepublik. Es waren ja nicht nur die jung-männlich-protzigen Typen, die ihre Oberkörper und Flaggen zur Schau stellten.
Auch Gastarbeiter der ersten Generation reihten ihre Familien-Passats glücklich ein in die Konvois, und manche sonst eher verschüchtert wirkende Kopftuchträgerin fühlte sich ganz offenbar nicht mehr nur geduldet auf hiesigen Straßen – Fußball-emanzipiert durch die Hintertür.
WM und Vision-Parade: Für Bremen war das ein ziemlich lebendiges Wochenende. Allerdings hätte man den Umland-Teenies einen besseren Abschluss gegönnt als den vollmundig angekündigten „Mega-Rave“ in der Stadthalle: Im einzigen Dancefloor waren weder Papst noch Bär zu sichten und die offizielle „Chill-out-Area“ (das Foyer) bot statt Ambient-Klängen nur Bratwurstgebrutzel. Trotzdem: Dem Sommerloch an der Weser wurde an diesem Wochenende noch mal ein sattes Schnippchen geschlagen. Da hätte man sich „Hurricane“ und Oldenburger CSD glatt noch aufheben können.
Henning Bleyl
Reportage auf Seite 23
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