WOLFGANG GAST LEUCHTEN DER MENSCHHEIT
: Der Killer, die Stasi und die Medien

Die Geschichte geisterte über Wochen durch die Medien. „Killer für die DDR?“, titelte etwa das Magazin Focus, um dann zu berichten, dass Jürgen G. „im Auftrag 27 Menschen ermordet“ haben soll. Die Welt am Sonntag stand nicht nach, nannte den Beschuldigten mit vollem Namen und schrieb, „mit der Verhaftung des mutmaßlichen Stasi-Killers rückt das düsterste Kapitel der DDR in den Blickpunkt: die staatlich angeordneten Morde“. Der 53-jährige Klempner aus dem nordbrandenburgischen Dorf Kleinzerlang werde verdächtigt, zwischen 1976 und 1987 Angehöriger eines geheimen Killerkommandos gewesen zu sein, das Überläufer und Dissidenten liquidiert haben soll.

Der Mann wanderte in U-Haft, die Bundesanwaltschaft ermittelte über vier Jahre – um dann mitzuteilen, für eine Anklage gebe es keinen Tatverdacht. So spektakulär die Geschichte startete, so sehr floppte sie.

In bierseliger Laune hatte sich Herr G. bei einem Gartenfest gebrüstet, einst einem geheimen Kommando der DDR angehört zu haben. Sein Pech: Einer der Anwesenden war Exstasi und Journalist für den Focus. Die Ankläger luden den früheren Mielkemann zum klandestinen Treff. Dann wurde es wild. Die Fahnder geben sich als CIA-Agenten aus, die einen „Mann für nasse Sachen“ – sprich einen Profimörder – suchen. Herr G. käme in Frage, müsse aber einen Nachweis seines Könnens, sprich Insiderwissen nachweisen. Bei 17 Treffen versuchen sie, Jürgen G. seine Geheimnisse zu entlocken. Erfolglos.

Die Geschichte aus dem Jahr 2003 hat jetzt Klaus Huhn, Verleger und bis 1990 Sportchef beim ND, aufgeschrieben. Titel: „Der Auftragsmörder aus Rheinsberg. Ein Hochstapler, die Geheimdienste und die investigative Presse“ (Spotless, Verlag Das Neue Berlin, 2012). Dass die Investigativen nicht gut wegkommen, na klar. Der Autor schlachtet das in ewigen Zeitungszitaten aus – und ruiniert so seine Erzählung. Schade, die Geschichte und die Stasi-Reflexe darin hätten für sich gesprochen.

Wolfgang Gast ist Redakteur der taz. Foto: privat