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■ Straßmanns kleine WarenkundeDer Jeanspaß

Man öffnet ja heutzutage seine Brieftasche nicht ohne einen gewissen Stolz. Taten es früher selbst bei Arrivierten ein paar Scheine, etwas Klimpergeld, der Führerschein (“zeich ma Fotto!“) und büttene Visitenkärtchen, gibt es heute schon bei Jungbriefträgern im ersten Ausbildungsjahr richtig was zum Herzeigen. Allein die Kreditkarten. Die Krankenkassenkarte. Die Zusatzversicherungskarte. Member-Cards. Golden Member-Cards. Die VIP-Card von Nikon. Die Karte mit der Nummer für schnelle Hilfe in aber auch jeder Not von American Express. Und dann fällt einem auf einmal ein lila Päppchen mit oranger Schrift auf den Boden. Errötend bückt man sich und steckt das Kärtchen schnell wieder ein. Man murmelt verlegen Jeanspaß und beißt sich gleich darauf auf die Zunge.

Dabei ist der Jeanspaß eine hochzujubelnde Erfindung. Er ist demokratisch (jeder kriegt ihn); er ist billig (man bekommt ihn beim Kauf einer Jeans geschenkt incl. persönlicher Unterschrift der enorm hübschen Jeansverkäuferin mit Doppelnamen); und er ist männerfreundlich. Dochdoch. Denn aus physiologischen Gründen ist es Männern unmöglich, ohne Leiden in der Umkleidekabine auch nur eine einzige Hose anzuprobieren. Es gibt überhaupt keinen elenderen und erbärmlicheren Anblick als den von Männern in Umkleidekabinen. Wie sie ruckeln. Wie sie fluchen. Wie sie schwitzen. (Und wie es stinkt.)

Auf diesen Umstand reagiert der Jeanspaß mit der einprägsamen Losung: Sie haben Ihre Lieblings-Jeans gefunden, sie sitzt und paßt. Also brauchen Sie bei Ihrem nächsten Einkauf nicht mehr lange zu suchen. Sie legen einfach Ihren Jeanspaß vor. Spüren Sie was? „Sie legen vor!“ Ich lege meiner hübschen Verkäuferin mit dem Doppelnamen meinen Jeanspaß vor. Hui! Übt nicht allein schon diese Formulierung einen ungeheuren Reiz aus, als handelte es sich um eine verbotene Lust?!

Das letzte, was mich an eine verbotene Lust erinnern würde, wäre ein „Hosenpaß!“ Das Wort „Hose“ wirkt beinahe so abkühlend wie die Formulierung: „Zwischen meinem Freund Gorbatschow und mir stimmt die Schimmie.“ Ich persönlich kriege die Krätze, wenn ich „die Schimmie stimmt“ höre. Wer so redet, den streiche ich aus meinem Notizbuch. In seinen Jeanspaß kritzele ich unter der Rubrik „Style“: Kanzler. Bei mir steht Woodstock! Naaaaa?!

Nun sind Jeanspaßhersteller auch nur Menschen. Konnten sie es sich verkneifen? Sie konnten nicht! Sie wünschen uns „Viel Jeansspaß!“ Ich gehe noch einen Schritt weiter: Damit die Jeans paßt: Jeanspaß!“ Nur: wer ist Jean? BuS

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