: Der Inbegriff der Provokation
■ betr.: „Die Jacke – sie paßt“, taz vom 17.12.93
Für die Autoren Elke Eckert und Thomas Groß ist es unerklärlich, warum die in Aussicht gestellte DDR-Tournee von Udo Lindenberg und seinem Panik-Orchester nach dem Auftritt im Palazzo Prozzo nie zustande kam.
Dem aufmerksamen Zeitgenossen von damals ist – selbstverständlich auch ohne Aktenstudium – klar, warum Udo Lindenbergs Auftritt im Palazzo Prozzo der letzte gewesen sein muß. Denn nicht nur er hatte Auftrittsverbot in der DDR. Auch die Rockgruppe BAP durfte in der DDR nicht auftreten, weil sie sich weigerte, bestimmte Lieder nicht zu singen. Einreiseverbot hatten auch all diejenigen FriedensfreundInnen – leider gab es nur sehr wenige davon – die Angst nicht nur vor den amerikanischen Cruise missiles und Pershings, sondern auch vor den sowjetischen SS 20 hatten und dies auch öffentlich bekundeten. Zu diesem Personenkreis gehörte nämlich auch Udo Lindenberg, der auch im Palazzo Prozzo Zivilcourage und Rückgrat bewies, als er vor „4.000 Jubel-FDJlern“ auch die Verschrottung der SS 20 forderte. Diese öffentlich erhobene Forderung auf dem Gebiete der DDR, im Hause der Volkskammer, vor auserwähltem jugendlichen Publikum war für die Machthaber der DDR der Inbegriff der Provokation.
Dies zu verschweigen, ist schon abenteuerlich und zeugt nicht gerade von guter journalistischer Arbeit. Udo Lindenberg in seinem politischen Engagement nicht ernst zu nehmen und ihn lediglich auf einen alternden, eitlen und auf seinen Einfluß bedachten Rockmusiker zu reduzieren, ist der (un)logische Schritt in die falsche Richtung. [...] Michael Cramer, Bündnis
90/Grüne (AL)/UFV, Berlin
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