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Der Hund und seine Hasen

■ Sean McGuffin beschreibt die Umtriebe eines irischen Groucho-Marxisten

Cuma linn, is cuma linn cogadh no sith, marbhor sa cogadh, no crocher san sith.“ - „Was macht es schon, wenn sie uns im Krieg töten, wenn sie uns in Friedenszeiten sowieso hängen“

-flüstert der sterbende irische Revolutionär Damien Morgan, nachdem er soeben dem britischen Geheimdienstchef in den Niederlanden das Lebenslicht ausgeblasen hat.

Morgan ist einer der Hasen des „Hundes“, jenes überzeugten irischen „Groucho-Marxisten“ Arthur O'Brien, der in Sean McGuffins Buch Der Hund - Eine Verschwörung eine weltumspannende Kette von spektakulären Ereignissen plant, die mit wahrhaft tödlicher Präzision ablaufen, obwohl ihr Urheber selbst inzwischen im Knast gelandet ist.

Der Hund sitzt, aber dafür sind seine Hasen los, und niemand, weder Briten noch IRA, kann sie stoppen.

Der Autor des turbulenten Werkes verfügt über eine reichhaltige Erfahrung, was Irland und seinen Krieg betrifft.

Bernadette Devlin berichtet in ihren Memoiren, wie McGuffin zum legendären Bürgerrechtsmarsch von Belfast nach Derry 1969 mit einer gigantischen Anarchisten-Fahne, aber mit lausiger Kondition anrückte. „Er war so fett“, schreibt sie, „daß er schon nach einigen hundert Metern schlappmachte und in den Lautsprecherwagen einsteigen mußte.“ Dort blieb er fortan und ging als der einzige Revolutionär in die Geschichte ein, der einen „langen Marsch“ nahezu komplett im Sitzen zurücklegte.

Als die Briten 1971 die Internierung einführten, war auch Sean McGuffin unter den Verhafteten. Wieder in Freiheit, schrieb er ein vielbeachtetes Buch über die Internierung, außerdem ein Werk über britische Folterpraktiken.

Später war er Mitglied der internationalen Kommission, die den Tod Ulrike Meinhofs untersuchte, vertrieb auf Folk -Festivals die bissigen Polit-Comics seines Freundes Cormac, führte seinem Körper gewaltige Mengen Alkohol zu und arbeitete als Dozent an der Universität, solange, bis er es schaffte, mit 35 Jahren zum Frührentner erklärt zu werden.

Anfang der 80er ging er nach Kalifornien, und ein tiefgreifender Wandel erfaßte ihn. Er schwor dem Alkohol ab und verlegte sich auf das Verfassen von skurrilen Geschichten, die vorwiegend in Belfast spielten.

Mittlerweile ist McGuffin nicht gerade schlank, aber - wie das Foto zum Klappentext seines neuen Buches beweist - ist sein Körperumfang so weit geschmolzen, daß er, sollte es jemals einen neuen langen Marsch in Irland geben, ein gut Teil auf Schusters Rappen zurücklegen könnte.

In Der Hund, seinem ersten Roman, setzt er sein umfassendes Wissen über Irland und die irisch-amerikanische Szene Kaliforniens ein, um ein buntes, aktionsträchtiges Kaleidoskop von Kamikaze-Aktionen, Schandtaten, Meucheleien und anderen Verwicklungen zu entwerfen.

Es wimmelt von aufrechten Revolutionären, niederträchtigen Verrätern, dummen bis perfiden britischen Agenten, sauflustigen irisch-stämmigen Bullen, einem deutschen Ex -Nazi, der sich als betrügerischer Waffenhändler betätigt, tumben englischen Soldaten und einer breiten Palette von unsympathischen Politikern. Wie im richtigen Leben geht es also zu.

Genußvoll garniert wird das Ganze durch Ereignisse, wie sie im richtigen Leben viel zu oft danebengehen. Voller Wonne bringt McGuffin einen Politiker nach dem andern - durchaus auch real-existierende - auf immer durchtriebenere Art und Weise um die Ecke.

Während der britische Botschafter in Frankreich noch mit einem konventionellen Raketenwerfer ins Jenseits befördert wird, ereilt es den Außenminister schon auf raffiniertere Art: durch explodierendes Haarspray in der Kaffeemaschine, wobei gleich das halbe Fairmont-Hotel in San Francisco, Schauplatz der Fernsehserie „Hotel“, in die Luft fliegt.

Ein Verräter aus dem ohnehin nicht gerade liebevoll gezeichneten IRA-Armeerat verliert in Frisco den Kopf, welcher pikanterweise einem überraschten englischen Geheimdienstler in die Arme kullert, illustre Wirtschaftsbosse und Politgrößen murksen sich im Drogenrausch gegenseitig ab, und zu guter Letzt beschließen der irische Premierminister und Richard Nixon ihr verfehltes Leben gemeinsam und stilsicher als Napalmfackel. Was keineswegs heißt, daß der unersättlich hassende McGuffin den guten „Tricky Dicky“ daraufhin in Frieden ruhen läßt. Bei seinem Begräbnis senkt sich der Sarg auf eine im Grab verborgene Mine.

In wohltuender Weise meidet Sean McGuffin den Ehrgeiz der meisten neueren irischen Schriftsteller, wie eine Mischung aus James Joyce und William Butler Yeats schreiben zu wollen. Zum Trost bemüht er sich, all seine Lieblingszitate der letzten zwanzig Jahre unterzubringen. Zola, James Cagney, Hermann Melville, Bruce Springsteen und viele andere kommen ebenso zu Wort wie Georg Friedrich Händel und der biblische Jakobus. Außerdem gibt es jede Menge keltische Mythologie und Mystik, für deren Auftauchen der Autor aber jede Verantwortung ablehnt: „Sie haben sich selbst eingeschlichen.“

Kurzum, ein wunderhübsches Buch, das sicher auch Terence Mac Swiney gefallen hätte. Der tapfere, 1923 im Hungerstreik gestorbene Bürgermeister von Cork kommt gleich zweimal vor mit seinem berühmten Satz: „Nicht die, die das größte Leid zufügen, sondern jene, die das größte Leid ertragen können, werden siegen.“

Im Falle Irlands ist dem wenig hinzuzufügen, außer vielleicht ein Ausspruch des „Hundes“ kurz vor Schluß: „Warum, verdammt noch mal, habt ihr so lange gebraucht.“

Matti Lieske

Sean McGuffin: Der Hund - eine Verschwörung. Edition Nautilus 1990, 208 Seiten, DM 29,80.

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