■ Der Hoffnungsträger der FDP droht zu scheitern: Liberal und sozial?
Spätestens seit dem FDP-Parteitag in Bremen ist klar: Parteichef Wolfgang Gerhardt ist zum Grüßaugust degradiert. Die FDP ist eine One-man-Show. Hoffnungsträger ist allein Generalsekretär Guido Westerwelle. Schon seit Jahren gehen so gut wie alle Initiativen, egal wie man sie bewerten mag, von ihm aus: Die Etikettierung der FDP als Steuersenkungspartei war sein Werk. Die Abkehr vom Image als Bürgerrechtspartei ist insbesondere mit seinem Namen verbunden. Der einzige neue Impuls auf dem diesjährigen Dreikönigstreff im Januar war Westerwelles Vorstoß, die FDP als Law-and-order-Partei zu präsentieren („Keine Freiheit ohne Sicherheit“). Davon redet zwar kaum noch jemand, aber Westerwelle verfestigt damit das Bild einer Partei, die auch für die breitere Masse akzeptabel sein will.
Mit seinem neuesten Vorstoß, „Liberale sind soziale Demokraten“, arbeitet der Generalsekretär weiter daran, das Sympathiedefizit seiner Partei als „Partei der Besserverdienenden“ zu beheben. Anders, glaubt er, kommt die FDP, die sieben der letzten neun Wahlen verloren hat, nicht aus dem Fünf-Prozent-Ghetto heraus. Damit geht Westerwelle ein großes Risiko ein, weil die auch von ihm propagierte Unterscheidbarkeit zu den anderen Parteien zu verwischen droht. Einerseits sollen die Wähler der FDP abnehmen, daß sie sich von den anderen, als staatsgläubig bezeichneten Parteien distanzieren will. Andererseits biedert sie sich bei der Klientel der Sozialdemokraten an. Ob die Wähler das als glaubwürdig empfinden?
Es gibt zwar in der Tat einige Ansätze für eine eigenständige FDP-Sozialpolitik. So befürwortet Westerwelle bei der Rente das „Schweizer Modell“, soll heißen, daß alle, auch Beamte und Selbständige, in die Rentenkasse einzahlen sollen. Aber was sagt die angestammte Klientel der FDP dazu? Zudem will die FDP im Gesundheitswesen Wettbewerb und Eigenverantwortung stärken, das heißt, die Leistungen der Krankenkassen werden auf eine Grundversorgung beschränkt, dafür sinken die Beiträge. Aber verstehen das nicht nur diejenigen als sozial, die sich problemlos eine Zusatzversicherung leisten können?
In Wahrheit ist es wohl so, daß Westerwelle lediglich die alte Programmatik umlabeln will. Was bisher als neokonservativ galt, soll unter dem Deckmäntelchen des Sozialen daherkommen. Wenn die Partei den schönen Worten jetzt nicht glaubwürdige Taten folgen läßt, droht der einzige Hoffnungsträger der FDP zu scheitern. Markus Franz
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