: „Der Hans hätte das so gewollt“
SKI ALPIN Während der gestürzte Hans Grugger um sein Leben kämpft, wird auf der Streif wieder gerast
BERLIN/KITZBÜHEL taz | Natürlich freute er sich. Ivica Kostelic ist der Fahrer der Stunde im alpinen Ski-Weltcup. Gestern hat er den Super-G auf der berüchtigten Streif gewonnen. Und doch war ihm klar, dass das Rennen am Hahnenkamm nur eine Nebenveranstaltung war an diesem Kitzbüheler Rennwochenende. Das Hauptevent des Tages hatte zwei Stunden vor dem Rennen in der Uniklinik Innsbruck stattgefunden. Da traten die Ärzte vor die versammelte Presse und verkündeten, dass Hans Grugger, der österreichische Skifahrer, der am Donnerstag im Abfahrtstraining auf der Streif so schwer gestürzt war, überleben wird.
„Es ging bei der gestrigen Operation ums Überleben“, sagte die Chirurgin Alexandra Kofler bei der Pressekonferenz in Innsbruck. Dann kam die gute Nachricht: „Die akute Lebensgefahr ist gebannt.“ Eine Prognose wollte sie nicht abgeben. Dazu sei es noch zu früh. Über bleibende Schäden des Zentralnervensystems könne noch nichts gesagt werden. Kofler wollte nicht einmal sagen, ob Grugger wirklich überleben wird. „Mittelfristig schwebt er sicher noch in Lebensgefahr, die Gefahr ist noch nicht ganz gebannt.“
Der Abfahrer befindet sich weiterhin im künstlichen Koma. Bei der Operation ist eine „leichte Blutung unter dem Schädeldach ausgespült worden, und es wurden Drainagen gelegt“, so Kofler, die noch weitere Verletzungen aufzählte, die sich Grugger bei seinem Sturz in die sogenannte Mausefalle zugezogen hatte: Er hat sich Rippen gebrochen, seine Lunge ist gequetscht. Doch das Hauptaugenmerk der Behandlung gilt zunächst dem Zentralnervensystem.
Ivica Kostelic, der Sieger des Super-G, zeigte unmittelbar nach seinem Triumph Respekt vor der Abfahrt am Samstag. „In der Abfahrt ist es wichtig, zuerst zu überleben und dann ein gutes Resultat zu haben“, sagte er. Kostelic, der jahrelang ein ausgewiesener Slalomspezialist war, hat ausgerechnet auf der Streif seinen ersten Sieg in einer Speedkonkurrenz errungen. Hochgeschwindigkeitsexperten wie Didier Cuche reden da ganz anders über die Gefahren ihres Sports. Der Vorjahrerssieger sagte: „Auf der Streif ist es immer gefährlich.“ Und dann erklärte er kurz mal die Faszination, die die Strecke auf Fahrer und Zuschauer ausübt: „In Kitzbühel muss man immer wieder von null anfangen, zuerst muss man den Berg besiegen, dann erst im Ziel schauen, was die Zeit ist. Und dann kann man sich freuen oder ärgern. Aber zu viel ärgern darf man sich auch nicht, weil man gesund im Ziel ist.“ Es ist eines der wenigen Rennen, bei dem jeder Zuschauer den Fahrern ansehen kann, wie schwer sie sich mit der Strecke tun. Gestern ging ein Raunen durch die Zuschauermenge am Zielhang, als der Österreicher Benni Raich um ein Haar in ein Tor hineingefahren wäre. Auch wegen solcher Szenen strömen die Massen Jahr für Jahr an die Streif.
„Zum Feiern ist mir nicht zumute“, meinte Georg Streitberger nach dem Rennen. Er beendete den Super-G als Zweiter, eines der besten Ergebnisse seiner Karriere, konnte die Gedanken an den gestürzten Teamkollegen indes nicht verdrängen. „Brutal schwer“ sei die Konzentration auf das Rennen gewesen, sagte er dem Internetportal laola1.at. und berichtete von der Nacht nach Gruggers Sturz: „Ich konnte nicht einschlafen, die Bilder sind immer und immer wieder gekommen. Es war brutal schwer, aber irgendwann musst du den Schalter umlegen und versuchen, dich aufs Rennen zu konzentrieren.“ Dass die Rennen am Hahnenkamm an diesem Wochenende gefahren werden, findet Streitberger in Ordnung. „Der Hans hätte das so gewollt“, ist er sich sicher. Es ist nicht das erste Horrorrennen, das Streitberger erlebt hat. Am 2. März 2008 feierte der Österreicher in Kvitfjell (Norwegen) seinen ersten Weltcup-Sieg im Super-G. Es war das Rennen, in dem sein Teamkamerad und damaliger Zimmergenosse Matthias Lanzinger schwer stürzte. Lanzinger musste der Unterschenkel amputiert werden. (mit dpa)