: Der Gesang der gelben Blume
■ Verena Weiss choreographiert Hans Henny Jahnns schwierigen Roman „Perrudja“
Hans Henny Jahnn galt und gilt nicht gerade als Autor von Damenromanen. Im Auftrag des Thalia-Theaters hat sich die Tänzerin und Choreographin Verena Weiss trotzdem seinem 1929 erschienenen Roman Perrudja genähert. Das Ergebnis dieser Auseinandersetzung hat am Sonnabend im TiK Premiere. Gemeinsam mit dem Thalia-Schauspieler Dietmar König will Verena Weiss Facetten der Person Perrudja darstellen.
Perrudja ist ein schwieriger Charakter, ein Anti-Held, verfolgt von der Vorstellung, ein Kindermörder zu sein. In den norwegischen Bergen baut er sich eine Trutzburg. Seine Ehe mit Signe bringt ihm nicht die ersehnte Nähe. „Er ist im Grunde ein Mensch, der sich der Welt verweigert,“ ist Weiss' Erklärung für die unüberbrückbare Distanz zwischen Perrudja und seiner Frau. Vom schwachen Mann wird Perrudja im Verlauf des Romans zum Konzernherrn, der als Sklavenhalter über hunderte Millionen Menschen gebietet. „Überraschend, aber nicht ergreifend“ hat Thomas Mann die Entwicklung Perrudjas genannt, die ihn einen letzten Weltkrieg entfachen läßt, der die alte Welt vernichten und ein paradiesisches Inselreich schaffen soll.
Jahnns von Joyce und Döblin inspirierter Technik der literarischen Montage versucht Verena Weiss mit einer Folge von Szenen beizukommen, die eher Befindlichkeiten des Menschen Perrudja erfahrbar machen, als die Geschichte des Romans nacherzählen. „Das wäre bei einem Werk von 800 Seiten mit zwei Personen auch gar nicht zu schaffen“, sagt die zierliche Choreographin zur taz.
In den Szenen geht es um Einsamkeit, Brutalität, Tierhaftigkeit – eben die Momente, „wo sich die ganzen äußeren Schichten ablösen“. Dazu hat sie Textstellen ausgewählt, denen sie sich gemeinsam mit Dietmar König über Improvisationen genähert hat. Diesen Prozeß beschreibt die Tänzerin als einen Dialog zwischen Kopf und Körper.
Auf einer fast leeren Bühne, die von einer übergroßen Pritsche beherrscht wird, spielen die Szenen zwischen Tanz und Texten, von Dietmar König als innerer Monolog vorgetragen, begleitet von der Musik von Peter Ludwig.
Iris Schneider
28. und 30. Mai, TIK, jeweils 20 Uhr
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