: Der Geheimnisvolle
■ Unverstandene statt Superhelden: Zum Tod des Zeichners Hugo Pratt
Es war in den Siebzigern, ich war noch zu jung, um mich für Frauen zu interessieren, aber doch schon alt genug für andere Abenteuer: jede Woche Corto Maltese in der „Südseeballade“ von Hugo Pratt in Zack. Die Siebziger sind schon länger vorbei, ich bin älter geworden, und Hugo Pratt ist am Sonntag, den 20. August, gestorben, kurz bevor er siebzig wurde.
Am 15. Juni 1927 wurde Ugo Eugenio Romanga als Kind „anglo-französisch-jüdisch-venezianischer“ Eltern geboren. Mit seinem Vater zog er 1937 nach Abessinien und wurde als 13jähriger in ein italienisches Verteidigungsbataillon gesteckt, so daß er sich „Mussolinis jüngster Soldat“ nennen konnte.
Schon 1945 arbeitete Pratt als Zeichner an „Asso di Picche Comics“ mit. Das Magazin war offenbar so erfolgreich, daß es Pratt und anderen zu einem Angebot aus Argentinien verhalf. Pratt zog zu seinem neuen Arbeitgeber nach Südamerika. Das Jahr 1967 war ein Wendepunkt. Pratt, der bis dahin in verschiedenen Ländern und Verlagen qualitativ recht unterschiediche Serien gezeichnet hatte (wöchentlich bis zu 500 Panels), bekam sein eigenes Magazin: „Sgt. Kirk“. Der Comic-Liebhaber Florenzo Ivaldi schuf es für den vergötterten Zeichner, der sich mit der „Südseeballade“ bedankte.
Seither durfte Corto Maltese (Pratt will bei Corto an den deutschen Vornamen Kurt gedacht haben) als Kapitän ohne Schiff durch die Welt reisen. Mehr Dandy als Seemann, unnahbar, gebildet, schlagfertig. Statt eines omnipotenten Superhelden schuf Pratt eine Figur für eine andere Erscheinung der Pubertät: den Unverstandenen, den Geheimnisvollen.
Pratts letztes Album „Saint- Exupéry – Sein letzer Flug“ erzählt die Stationen des Lebens, wie sie in den letzten Minuten vor dem Tod des Fliegers vor seinem Auge vorbeiziehen. Der kleine Prinz begegnet ihm, die Zeit als Postflieger, der Absturz in der afrikanischen Wüste. Pratt schuf einige sehr schöne Panels, einige halb abstrakt, nur einige Tuschestriche, die erst auf den zweiten Blick einen Gegenstand ergeben. Ansonsten dominieren Flugzeuge und Militäruniformen.
Dem Band sind zwei Vorworte beigegeben, eines von Umberto Eco. Das ist sehr freundschaftlich: „Pratt weiß, daß er – und wenn nicht er, dann sein Werk – ein Mythos ist.“ Wer mehr erfahren will, sollte sich an das Comic-Magazin Reddition halten, das seine letzte Nummer Hugo Pratt gewidmet hat. Martin Zeyn
Hugo Pratt: „Saint-Exupéry“. Feest Comics 1995, 80 Seiten, 49,80 DM
„Reddition“ Nr. 26: „Hugo Pratt“ (Bio-&Bibliographie), 1995, 10DM
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen