Der Fall Dialle D.: Der Skandal hinterm Skandal (Teil 2)
■ Datum der Ausweisungsverfügung mit Tipp-Ex korrigiert
Das Studium der Akte von Dialle D. fördert immer neue Merkwürdigkeiten zu Tage. Neuestes Indiz dafür, daß die Ausländerbehörde unter ungewöhnlichem Druck an der Abschiebung des 44jährigen Senegalesen gearbeitet hat: Das Datum der Ausweisungsverfügung wurde nachträglich mit Tipp-Ex korrigiert. Hält man das Dokument gegen das Licht, so erscheint hinter dem „26.4.“ der „13.4.“ 1994.
Eine Ungereimtheit, die sich mit einem schlichten Tippfehler erklären ließe. Für Dialle D.s Anwalt Eckard Puls liegt hier aber vielmehr ein Hinweis dafür, daß nach der Ankündigung der Ausweisung vom 11. April die gesetzlich vorgeschriebene Zwei-Wochen-Frist zur Stellungnahme nicht abgewartet wurde. Puls: „Das ist so, als wenn ein Richter vor Prozeßbeginn das Urteil schreibt.“ Mit der Datumskorrektur, so Puls, werde der Anschein erweckt, man habe die Frist abgewartet. Da für den Beginn dieses Zeitraums aber der Posteingang der Ankündigung maßgeblich ist (13. April), wurde das Papier auch mit dem neuen Datum noch einen Tag zu früh geschrieben. Puls: „Die haben so schnell gearbeitet, daß sie über die eigenen Füße fallen.“ Normalerweise dauern allein die Schreibarbeiten ein bis zwei Monate.
Und noch eine Ungereimtheit sieht der Experte für Ausländerrecht: Während die Sachbearbeiterin am 4. Februar lediglich mitteilte, Dialle D. den Aufenthalt nicht zu verlängern, schlug sie am besagten 11. April mit der Ausweisungsankündi-gung eine wesentlich härtere Gangart ein. Puls: „Auch wenn sich das ähnlich anhört, ausländerrechtlich sind das zwei vollkommen verschiedene Paar Schuhe.“ Denn bei ersterem Verfahren besteht immer noch die Möglichkeit, die Verlängerung zu beantragen. Bei letzterem nicht.
Schlußfolgerung von Eckard Puls: „Da muß jemand massiv Druck auf die Sachbearbeiterin ausgeübt haben“. Daß es die Präsidialabteilung PS 3 (Beamtendelikte) war, die die Abschiebemöglichkeiten eigenhändig nachrecherchierte, geht nicht zuletzt aus der Abschiebung selbst hervor. „Gemäß den Ermittlungen der Polizei Hamburg“, so heißt es in der Begründung, sei Dialle D. seit Mai 1993 geschieden. Es ist stark zu bezweifeln, daß die Polizei derartige Ermittlungen auch über deutsche Bürger anstellt, die zu ihr kommen, um eine Straftat anzuzeigen.
„Hier zeigt sich wieder: Die Hamburger Polizei ist Außenstelle des restriktiven Apparats Ausländerbehörde“, empört sich die GAL-Abgeordnete Anna Bruns. Im Unterschied zu Deutschen können Nichtdeutsche nicht unbesorgt die Dienste des „Freund und Helfers“ in Anspruch nehmen. Das Zusammenspiel von PS 3 und Ausländerbehörde soll denn auch Gegenstand des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses werden.
Übrigens: Während öffentlich verlautbart wurde, von einer unmittelbar bevorstehenden Abschiebung Dialle D.s könne keine Rede sein, haben weder Mandant noch Anwalt etwas von der Ausländerbehörde gehört. Gegen die Abschiebeverfügung vom 26.4. hat Puls Widerspruch beim Verwaltungsgericht eingelegt, das sich außer Stande sieht, vor Mitte Oktober zu entscheiden. Grund: Staatsrat Dirk Reimers hat die Sachakte vom Gericht zurückgefordert. Kaija Kutter
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